Unter dem Titel "Erwachsen Glauben" startete die Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im Sommer eine Bildungsoffensive. Die Gemeinden im Land können Lernmaterialien anfordern, PowerPoint-Präsentationen und Info-Broschüren. Sogar einen Kinospot hat die EKD produzieren lassen. Umgesetzt wurde die Kampagne von der Agentur "Gute Botschafter". Über 1,3 Millionen Euro haben die Kirche und ein unbekannter Großspender investiert, um das Projekt an den Start zu bringen. Er ist gedacht für Skeptiker, die neugierig sind auf die Kirche.
"Jeder kann sich mittlerweile über seine Sexualpraktiken offen unterhalten, ohne rot zu werden. Aber wenn jemand über Jesus spricht, werden manche rot und fangen an zu stottern. Unsere Glaubenskurse dienen dazu, Menschen im Blick auf den Glauben wieder sprachfähig zu machen." Pfarrer Michael Stollwerk war 14 Jahre Pfarrer im Dom von Wetzlar. Seit einiger Zeit ist der Theologe als Referent für Markenbildung für ein mittelständisches Unternehmen tätig. Das hält ihn jedoch nicht davon ab, sich weiterhin für seine Kirche zu engagieren. Denn das Referieren über den Glauben ist für ihn wie auf den Leib geschneidert. An sieben Abenden bemüht sich der 49-Jährige, mit einem kleinen silbernen Kreuz um den Hals, den christlichen Glauben für Menschen zu erklären, die darin ein wenig "Nachhilfe" brauchen.
"Meiner Geschichte mit Gott einen Anfang geben"
Stollwerks Seminar in einer Gemeinde bei Wetzlar, das für 50 Menschen ausgelegt ist, ist ausgebucht. "Es gibt verschiedene Gruppen von Menschen, die zu dem Kurs kommen", erklärt Stollwerk. "Erstens solche, die zwar in die Kirche gehen, aber sich einmal einen systematisierten Überblick über das Thema Glaube verschaffen wollen. Man bekommt ja sonst nur sonntagmorgens einzelne Puzzle-Steine mit." Außerdem gäb es einige, deren Kontakt zur Kirche irgendwann abgebrochen sei. "Es gibt auch Teilnehmer, die erzählen, dass die Zeugen Jehovas sie zu Hause besucht hätten, und sie seien gar nicht richtig in der Lage gewesen, ihren eigenen Glauben zu erklären." Als letztes macht er Personen aus, "die aus einem christlichen Elternhaus kommen, dies aber als bedrückend empfunden haben. Sie haben sich entfernt und stellen jetzt, vielleicht nach 20 Jahren, an sich fest, dass in ihnen dennoch eine Sehnsucht nach Gott besteht."
An sechs Abenden, jeweils mittwochs und freitags, referiert Stollwerk über die grundlegenden Themen des Glaubens: über das Gottesbild, oder Fragen wie "Wer ist Jesus?" oder "Was ist Sünde?". Der letzte Abend schließt die Reihe mit einem Gottesdienst ab. "Dort soll jeder die Möglichkeit bekommen, seiner Geschichte mit Gott einen Anfang zu geben", sagt Stollwerk. Man könne sich segnen lassen, einen "Brief an Gott" schreiben, oder einfach nur Informationen über Hauskreise mitnehmen, in denen man in Zukunft mehr Zeit mit Christen verbringen kann. Für einen Unkostenbeitrag von zehn Euro erhält jeder Teilnehmer eine Mappe mit den Kernaussagen des Seminars.
Das Gegenteil von Sünde ist Vertrauen
Stollwerk ist begeistert von der Vorarbeit der EKD. Die einzelnen Kirchengemeinden könnten auf die PowerPoint-Präsentationen zugreifen, die sehr hochwertig gemacht seien. Nicht dröge Bibeltexte sind darauf enthalten, sondern bunte Fotos, die das Gesagte unterhaltsam verdeutlichen. In Großstädten lohne sich zudem der Einsatz von Werbeplakaten und des Kurzfilms, der zum Glaubenskurs einlädt.
Die Seminare selbst vergleicht Stollwerk eher mit Veranstaltungen der Volkshochschule als mit Bibelkreisen. Die Atmosphäre ist eher familiär gehalten, es gibt vorab einen Begrüßungstrunk mit Snacks. Nach einem 40-minütigen Referat können sich die Zuhörer in Gesprächsrunden austauschen. Dabei aufkommende Fragen werden anschließend vom Referenten erklärt.
Aus dem Munde Stollwerks klingt der Vortrag nie so, als müsse er ihn ablesen oder als halte er sich streng an Vorgaben. Es klingt eher, als habe er sich die Predigt wirklich selbst ausgedacht – und glaube mit vollem Herzen selbst daran. Im Kurs zum Thema Sünde sagt er: "Sünde ist die Folge von einer gestörten Beziehung zu unserem Schöpfer." Bei der Geschichte von Adam und Eva komme es nicht darauf an, ob diese wirklich gelebt hätten, sondern auf die Aussage, die dahinter stehe. Die beiden ersten Menschen hätten eine Sünde begangen, weil sie Gott misstraut hätten. "Kann es wirklich wahr sein, dass Gott gut ist und für euch sorgt?" Diese Frage der Verführung betreffe uns auch heute noch, so Stollwerk. "Das Gegenteil von Sünde ist nicht, ein guter Mensch zu sein. Das Gegenteil ist Vertrauen auf Gott, dass er weiß, was gut für mich ist."
"Spring! Ich fang dich auf!"
Mitreißend und mit viel Überzeugungskraft bringt er Erinnerungen aus seinem eigenen Leben ein. "Als kleiner Junge saß ich einmal in meinem Heimatdorf im Hunsrück auf einem großen, zu einem Rad zusammengebundenen Heuballen. Mein Vater stand mit offenen Armen davor und forderte mich auf: ‚Spring! Ich fang dich auf!‘ In diesem Moment hätten mir Statistiken nichts genutzt, etwa darüber, in welchem Zusammenhang normalerweise der Umfang des Bizeps eines erwachsenen Mannes mit der Wahrscheinlichkeit steht, dass ein Vater seinen Sohn auffängt." Er sei einfach in die Arme seines Vaters gesprungen, weil er in seine Augen geschaut habe und gemerkt habe, dass er ihm vertrauen konnte. "Gott in die Augen sehen und ihm vertrauen, darauf kommt es beim Christsein an!"
Stollwerk freut sich: "Eine solche deutschlandweite Kampagne wie ‚Erwachsen Glauben‘, in der sich eine Gemeinde registrieren kann, um zum Gespräch über den Glauben einzuladen, gab es so noch nicht." Er hebt dabei die Internet-Seite www.kurse-zum-glauben.de hervor, auf der Interessierte die Postleitzahl ihres Wohnortes angeben können, um entsprechende kirchliche Angebote in der Nähe zu finden.
Aufgrund der großen Resonanz auf seinen Kurs kann sich Pfarrer Stollwerk vorstellen, einen weiteren bereis im Herbst erneut anzubieten. Die Ambitionen des Theologen gehen sogar noch weiter. Wenn es nach ihm ginge, würde er diesen Kurs oder ähnliche Angebote im ganzen Land anbieten. Er würde sich freuen, gerade in der Luther-Dekade mit seinem Talent, den Glauben weiterzugeben, als Referent aufzutreten – als "Mr. Reformation", wie Stollwerk sagt. (pro)
"Jeder kann sich mittlerweile über seine Sexualpraktiken offen unterhalten, ohne rot zu werden. Aber wenn jemand über Jesus spricht, werden manche rot und fangen an zu stottern. Unsere Glaubenskurse dienen dazu, Menschen im Blick auf den Glauben wieder sprachfähig zu machen." Pfarrer Michael Stollwerk war 14 Jahre Pfarrer im Dom von Wetzlar. Seit einiger Zeit ist der Theologe als Referent für Markenbildung für ein mittelständisches Unternehmen tätig. Das hält ihn jedoch nicht davon ab, sich weiterhin für seine Kirche zu engagieren. Denn das Referieren über den Glauben ist für ihn wie auf den Leib geschneidert. An sieben Abenden bemüht sich der 49-Jährige, mit einem kleinen silbernen Kreuz um den Hals, den christlichen Glauben für Menschen zu erklären, die darin ein wenig "Nachhilfe" brauchen.
"Meiner Geschichte mit Gott einen Anfang geben"
Stollwerks Seminar in einer Gemeinde bei Wetzlar, das für 50 Menschen ausgelegt ist, ist ausgebucht. "Es gibt verschiedene Gruppen von Menschen, die zu dem Kurs kommen", erklärt Stollwerk. "Erstens solche, die zwar in die Kirche gehen, aber sich einmal einen systematisierten Überblick über das Thema Glaube verschaffen wollen. Man bekommt ja sonst nur sonntagmorgens einzelne Puzzle-Steine mit." Außerdem gäb es einige, deren Kontakt zur Kirche irgendwann abgebrochen sei. "Es gibt auch Teilnehmer, die erzählen, dass die Zeugen Jehovas sie zu Hause besucht hätten, und sie seien gar nicht richtig in der Lage gewesen, ihren eigenen Glauben zu erklären." Als letztes macht er Personen aus, "die aus einem christlichen Elternhaus kommen, dies aber als bedrückend empfunden haben. Sie haben sich entfernt und stellen jetzt, vielleicht nach 20 Jahren, an sich fest, dass in ihnen dennoch eine Sehnsucht nach Gott besteht."
An sechs Abenden, jeweils mittwochs und freitags, referiert Stollwerk über die grundlegenden Themen des Glaubens: über das Gottesbild, oder Fragen wie "Wer ist Jesus?" oder "Was ist Sünde?". Der letzte Abend schließt die Reihe mit einem Gottesdienst ab. "Dort soll jeder die Möglichkeit bekommen, seiner Geschichte mit Gott einen Anfang zu geben", sagt Stollwerk. Man könne sich segnen lassen, einen "Brief an Gott" schreiben, oder einfach nur Informationen über Hauskreise mitnehmen, in denen man in Zukunft mehr Zeit mit Christen verbringen kann. Für einen Unkostenbeitrag von zehn Euro erhält jeder Teilnehmer eine Mappe mit den Kernaussagen des Seminars.
Das Gegenteil von Sünde ist Vertrauen
Stollwerk ist begeistert von der Vorarbeit der EKD. Die einzelnen Kirchengemeinden könnten auf die PowerPoint-Präsentationen zugreifen, die sehr hochwertig gemacht seien. Nicht dröge Bibeltexte sind darauf enthalten, sondern bunte Fotos, die das Gesagte unterhaltsam verdeutlichen. In Großstädten lohne sich zudem der Einsatz von Werbeplakaten und des Kurzfilms, der zum Glaubenskurs einlädt.
Die Seminare selbst vergleicht Stollwerk eher mit Veranstaltungen der Volkshochschule als mit Bibelkreisen. Die Atmosphäre ist eher familiär gehalten, es gibt vorab einen Begrüßungstrunk mit Snacks. Nach einem 40-minütigen Referat können sich die Zuhörer in Gesprächsrunden austauschen. Dabei aufkommende Fragen werden anschließend vom Referenten erklärt.
Aus dem Munde Stollwerks klingt der Vortrag nie so, als müsse er ihn ablesen oder als halte er sich streng an Vorgaben. Es klingt eher, als habe er sich die Predigt wirklich selbst ausgedacht – und glaube mit vollem Herzen selbst daran. Im Kurs zum Thema Sünde sagt er: "Sünde ist die Folge von einer gestörten Beziehung zu unserem Schöpfer." Bei der Geschichte von Adam und Eva komme es nicht darauf an, ob diese wirklich gelebt hätten, sondern auf die Aussage, die dahinter stehe. Die beiden ersten Menschen hätten eine Sünde begangen, weil sie Gott misstraut hätten. "Kann es wirklich wahr sein, dass Gott gut ist und für euch sorgt?" Diese Frage der Verführung betreffe uns auch heute noch, so Stollwerk. "Das Gegenteil von Sünde ist nicht, ein guter Mensch zu sein. Das Gegenteil ist Vertrauen auf Gott, dass er weiß, was gut für mich ist."
"Spring! Ich fang dich auf!"
Mitreißend und mit viel Überzeugungskraft bringt er Erinnerungen aus seinem eigenen Leben ein. "Als kleiner Junge saß ich einmal in meinem Heimatdorf im Hunsrück auf einem großen, zu einem Rad zusammengebundenen Heuballen. Mein Vater stand mit offenen Armen davor und forderte mich auf: ‚Spring! Ich fang dich auf!‘ In diesem Moment hätten mir Statistiken nichts genutzt, etwa darüber, in welchem Zusammenhang normalerweise der Umfang des Bizeps eines erwachsenen Mannes mit der Wahrscheinlichkeit steht, dass ein Vater seinen Sohn auffängt." Er sei einfach in die Arme seines Vaters gesprungen, weil er in seine Augen geschaut habe und gemerkt habe, dass er ihm vertrauen konnte. "Gott in die Augen sehen und ihm vertrauen, darauf kommt es beim Christsein an!"
Stollwerk freut sich: "Eine solche deutschlandweite Kampagne wie ‚Erwachsen Glauben‘, in der sich eine Gemeinde registrieren kann, um zum Gespräch über den Glauben einzuladen, gab es so noch nicht." Er hebt dabei die Internet-Seite www.kurse-zum-glauben.de hervor, auf der Interessierte die Postleitzahl ihres Wohnortes angeben können, um entsprechende kirchliche Angebote in der Nähe zu finden.
Aufgrund der großen Resonanz auf seinen Kurs kann sich Pfarrer Stollwerk vorstellen, einen weiteren bereis im Herbst erneut anzubieten. Die Ambitionen des Theologen gehen sogar noch weiter. Wenn es nach ihm ginge, würde er diesen Kurs oder ähnliche Angebote im ganzen Land anbieten. Er würde sich freuen, gerade in der Luther-Dekade mit seinem Talent, den Glauben weiterzugeben, als Referent aufzutreten – als "Mr. Reformation", wie Stollwerk sagt. (pro)