Gier, Moral und Rezessionen

Als Ökonom hat Tomas Sedlacek in Krisenzeiten ein schwieriges Feld zu beackern. Im Interview mit dem Magazin "Stern" bekennt der Tscheche sich nicht nur zu seinem Glauben. Er erklärt auch, warum er nichts von Schulden und Zinsen hält, gibt ungewöhnliche Antworten auf die Wirtschaftskrise und kritisiert diejenigen, die ohne Sicherheitsnetz gewaltige Risiken eingehen.

Von PRO

In seinem Buch "Die Ökonomie von Gut und Böse", das bald auf Deutsch veröffentlicht wird, hat er die großen Schriften der Philosophen, Religionen und Ökonomen ausgewertet. Er sucht darin eine Antwort auf den Kern allen wirtschaftlichen Tuns – Was darf man und was nicht? – und kommt zu überraschenden Ergebnissen.



Nicht die Gier, sondern die Unzufriedenheit sei der Motor von Wirtschaft und Konsum. Dabei verweist Sedlacek auf die biblische Geschichte von Adam und Eva. Sie hätten nicht vom Baum der Erkenntnis gegessen, um sich zu sättigen, sondern aus Unzufriedenheit. Mit dieser Geschichte sei die moderne Ökonomie entstanden: "Heute ist die Werbung die Natter, die uns immer wieder zur Unzufriedenheit treibt", findet der Tscheche klare Worte.

 Auf die Frage, ob er religiös sei, antwortet er, dass er gläubiger Christ sei.

Auch 15 Prozent Zinsen, die Banken mittlerweile veranlagten, hält er für äußerst zweifelhaft: "Alle alten Texte, egal ob die antiken Philosophen, die Bibel, die Scholastiker, der Koran oder auch Shakespeare, warnen uns vor dem Gebrauch von Schuld und Zinsen. Weil wir nicht wirklich sagen können, wie sie funktionieren und welche Folgen sie haben." Schulden hätten deswegen eine moralische Komponente, weil man sich schuldig mache und Schulden einem die Freiheit rauben könnten.



Wachstum nicht der Weg ins gelobte Land



Auf die Frage, ob es sich auszahlt, immer gut zu sein, antwortet der Ökonom: "Nicht immer. Viele Philosophen und Religionen fordern sogar, dass man das Gute nur um des Guten willen tun sollte. Moral funktioniert eben nicht nach dem Leistungsprinzip. Das macht sie ja so schwierig."



Im Gegensatz zu vielen seiner Berufskollegen vertritt er die These, dass Wachstum nicht der Weg ins "gelobte Land" sei. Japan, wo die Wirtschaft derzeit nicht wachse, arbeite so effizient, dass man die Nachfrage nicht mehr steigern könne. Trotzdem werde das Nullwachstum als Problem wahrgenommen. Sedlacek stellt nüchtern fest: "Nach Phasen kräftigen Wachstums müssen und können die Menschen es auch langsamer angehen lassen" – ohne zwangsläufig abgehängt zu werden.



Irgendwann sei der Punkt erreicht, an dem die Kredite, auf denen alles basiere,  abgetragen werden müssten. Dies könnten viele Länder nicht leisten. In der konkreten Umsetzung bedeutet dies für Sedlacek, "mit dem, was wir haben, zufrieden zu sein und den eigenen Konsum zu mäßigen". Bereits in der Bibel sei im 1. Mose-Buch von sieben fetten und sieben mageren Jahren die Rede. Hier zieht er eine Parallele zu den Jahren 2001 bis 2008, die er als "fette Jahre" bezeichnet.

Teilnehmer am Weltwirtschaftsforum


Auf die Frage, was er beim Schreiben seines Buches gelernt habe, antwortet Sedlacek: "Dass Schulden und Sünde eng miteinander verknüpft sind. Und dass es ein Fehler der modernen Wirtschaftswissenschaften ist, solche Fragen aus ihrer Disziplin verjagt zu haben." Der Stoff seines Buches ist so populär, dass er jetzt sogar in einem Prager Theater auf die Bühne gebracht werden soll. Als Mitspieler konnten die Macher Sedlacek selbst gewinnen. Der promovierte Volkswirt arbeitet als Chefökonom der größten tschechischen Bank CSOB. Ende dieses Monats wird er auch beim Weltwirtschaftsforum in Davos dabei sein. (pro)

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