An seinem 57. Geburtstag im Jahr 1958 brachte André Trocmé die beste Zeit seines Lebens auf den Punkt. In einem Brief an seine Kinder schrieb er: "Der Krieg hat uns, so seltsam das klingt, das gebracht, was uns fehlte: Bei dem Versuch, Leben zu retten, haben wir endlich Traum und Wirklichkeit miteinander versöhnt."
"Endlich", so viel macht die Biographie "Von Liebe und Widerstand" der Lektorin und Übersetzerin Hanna Schott klar, ist hier kein unbedeutendes Wort. Viele Umwege führten den Pfarrer André Trocmé zu seiner Berufung als Pfarrer, zu seiner Frau Magda, und schließlich an den Ort, an dem er den Widerstand seines Lebens leistete. Der "Traum" war ein pazifistisches Ideal, dem er gegen allen Widerstand im vom Patriotismus beseelten Frankreich anhing. Dieses Ideal versperrte ihm große Karrieresprünge, so dass dem Pfarrer, der in den Weltstädten Paris und New York Theologie studiert hatte, nur die französische Provinz als Arbeitsfeld blieb.
Zunächst überhaupt keinen Widerstand leisten wollte seine spätere Frau Magda. Hanna Schott beschreibt ihren frühen Lebensweg vor allem als Geschichte der Entfremdung: Als Angehörige einer italienischen Adelsfamilie war sie anders als das gemeine Volk, als Protestantin anders als ihre Umgebung im katholischen Florenz. Magda wollte bis dahin vor allem eins: dazugehören. Doch bei einer Annäherung an die katholische Kirche entdeckte sie, dass Widerstand Spaß machen kann: "Magda wurde erst frech, und dann froh."
Von der Weltstadt in die Provinz
Zu einem Aufbaustudium entfloh sie dann der Florentiner Welt nach New York und in die Arme des immer noch etwas schüchternen Theologiestudenten André aus Frankreich. Das Leben dieses internationalen Paares hätte durchaus auch anders laufen können. Möglichkeiten, unter anderem angeboten von den reichen Rockefellers, gab es im Land der Möglichkeiten und auch anderswo zuhauf. Der Ruf, als Pfarrer der protestantischen Bevölkerung im katholischen Frankreich zu dienen, war dann aber stärker. Wie abenteuerlich seine Befolgung werden sollte, war auf den ersten, durchaus tristen Stationen in Frankreich nicht abzusehen.
Das Abenteuer begann, als eine Jüdin 1939 auf der Flucht vor den Nazis an die Tür des Pfarrhauses im ländlichen Le Chambon klopfte und Unterschlupf suchte. Bevor daraus dann die Bewegung wurde, in der Flüchtlinge in Häusern versteckt und die Dorfbewohner Ausweise fälschten, wurde alles theologisch gut reflektiert. Denn die Bewohner, die überwiegende Mehrheit Hugenotten, hielten es ernst mit dem Glauben. Und waren nun auch zu theologischer Sophistik bereit: Laut den Zehn Geboten darf man "nicht falsch Zeugnis" geben, aber ja doch wohl nur, wenn es nicht "wider den Nächsten" war!
Auf diese Weise waren die Dorfbewohner schließlich bereit, Flüchtlinge in ihren Häusern zu aufzunehmen. Für das Pfarrer-Ehepaar begann damit eine risiko- und entbehrungsreiche Zeit. Doch im Rückblick war es die beste Zeit ihres Lebens. André konnte Widerstand leisten, ohne seine pazifistischen Ideale zu verraten. Magda konnte ihre offenherzige und fürsorgliche Ader ausspielen. Beide konnten damit auf ihre Weise ihre Nächstenliebe verwirklichen.
Hanna Schott hat eine leicht zu lesende Biographie über ein außergewöhnliches Paar geschrieben. Da sich dessen Besonderheit auf die Jahre des Widerstandes in Le Chambon konzentriert, ist die Lebensgeschichte davor nur mäßig spannend zu lesen. Die geschichtlichen Exkurse hingegen hätten umfangreicher ausfallen können. Mit dieser Gewichtung richtet sich das Buch an Leser, die mit der Geschichte der französischen Résistance bereits vertraut sind und ihr Wissen über zwei Hauptakteure des Widerstandes vertiefen möchten. (pro)
Hanna Schott, "Von Liebe und Widerstand. Das Leben von Magda & André Trocmé", Neufeld-Verlag, 240 Seiten, 14,90 Euro, ISBN 978-3-86256-017-2