„Christen sind die sechste Fraktion“

Christen bilden in der Politik eine virtuelle sechste Fraktion, die parteiübergreifend hinter den Kulissen mitmischt. Das äußerte Josef Winkler, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag, bei einem Workshop zu den "Tagen der Begegnung" in Berlin.
Von PRO

Die wenigsten christlichen Politiker würden ihre Entscheidungen aber direkt mit ihrem christlichen Glauben begründen. Vielmehr sei Christsein in der Politik eine Grundeinstellung: "Dass ich mein Gegenüber achte, auch wenn er eine andere Meinung hat. Im Parlament geht es manchmal derb zu, dazu sollte ich dann nicht gehören", so der Katholik. Es gebe immer wieder ein Ringen unter Christen um den richtigen Standpunkt als Abgeordneter und Christ.



Nicht versuchen, mit dem Glauben eine Mehrheit zu gewinnen



Der regelmäßige Austausch, beispielsweise beim Gebetsfrühstück der Parlamentarier, sei dafür sehr hilfreich. "Wenn man früh das Vaterunser miteinander gebetet hat, wird man dann in der Sitzung etwas freundlicher miteinander umgehen." Für Winkler sei es persönlich wichtig, zu beten, wenn er Entscheidungen treffen muss. "Aber das ist etwas Privates, ich kann nicht versuchen, mit dem Glauben eine Mehrheit zu gewinnen", so Winkler.

Falls heute ein neues Grundgesetz geschrieben werden sollte, hielte es Winkler innerhalb seiner Fraktion für schwierig, einen Gottesbezug für eine Verfassung zu formulieren: "Die Verfassungsmütter und -väter waren tiefgläubig und haben deshalb in der Präambel formuliert, dass alles, was danach kommt, in der Verantwortung vor Gott und den Menschen steht." Dies sei allerdings unter dem Eindruck des Zweiten Weltkrieges und des Kommunismus geschehen. Heute sei die Situation anders und man müsse keinen Gottesbezug aufnehmen, wenn die meisten Abgeordneten nicht daran glauben. "Die Menschenrechtserklärung hat auch keinen Gottesbezug und ist trotzdem ein guter Katalog", so Winkler.

Johannes Vogel: Staat soll nicht frei von Religion sein


"Der Staat soll nicht religionsfrei sein – er darf aber keine Glaubensrichtung bevorzugen", sagte der FDP-Abgeordnete Johannes Vogel. Weltanschauliche Neutralität bedeute nicht, Religion aus dem öffentlichen Raum zu verbannen. Vogel bezeichnete sich als "gläubigen Christen", der sich allerdings bei seinen Entscheidungen nicht allein auf den Glauben stütze: "Jede Entscheidung muss gemäß der Aufklärung aus der Vernunft heraus begründbar sein."

Der christliche Glaube setze oft auf Eigenverantwortung. "Freiheit bedeutet für mich, dass jeder seinen Lebenstraum verwirklichen kann, ohne andere dabei einzuschränken", so Vogel. "Dazu gehören in erster Linie für alle Menschen gleiche Chancen auf Bildung." Es sei legitim, dass diese gleichen Startchancen in einer freien Gesellschaft nicht zu einem für jeden Menschen identischen Ergebnis führen würden. Über die Bedeutung seines eigenen Glaubens für sein Leben sagte der Protestant: "Lebensglück und innere Zufriedenheit hängen für mich nicht davon ab, wie es politisch läuft. Das beruhigt sehr! Ich kann gelassen bleiben, ob es gerade bergauf oder bergab geht."

Im Parlament wird auch nur "mit Wasser gekocht"

Dietmar Nietan (SPD), der zu den einladenden Abgeordneten der "Tage der Begegnung" gehört, sagte über die Veranstaltung: "Mir ist wichtig, dass junge, engagierte Menschen und Christen erleben, dass im Parlament nur ‚mit Wasser gekocht‘ wird und wir Abgeordnete ebenso Fehler machen." Außerdem sollten sie sehen, dass es viele Christen unter den Politikern gebe und die ganz überwiegende Mehrheit der Abgeordneten ihre Entscheidungen mit großem Verantwortungsbewusstsein treffe.

An den "Tagen der Begegnung" nehmen 170 junge Leute zwischen 18 und 28 Jahren teil. Sie werden unter anderem von der Bundeszentrale für politische Bildung, Deichmann SE und dem Christlichen Medienverbund KEP gefördert. (pro)

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