Halbwahrheiten übers „Lügenfernsehen“

Wie scheinheilig, manipulativ und suggestiv investigative Formate im Fernsehen sein können, hat der Medien-Journalist Stefan Winterbauer in einem Blog des Medienportals "Meedia" deutlich gemacht. Dabei nahm er die Presenter-Reportage "Das Lügenfernsehen" der "Panorama"-Redaktion (ARD) unter die Lupe, die am Donnerstagabend ausgestrahlt wurde.
Von PRO
In der Reportage habe eine Reporterin aufdecken wollen, wie Privatsender Zuschauer belügen und bei so genannten Scripted-Reality-Formaten tricksen und täuschen. Aber auch der ARD-Film übers "Lügenfernsehen" habe bestenfalls die halbe Wahrheit geboten, schreibt Winterbauer. So seien Passagen, die unangenehm für die ARD hätten sein können, einfach herausgeschnitten worden.

Eine Presenter-Reportage, erläutert der Medien-Spezialist, sei ein Format, bei dem der Reporter als Person im Bild bei der Recherchere zu sehen ist und sich aktiv ins Geschehen einmischt. Die subjektive Machart solle Spannung erzeugen, da die Zuschauer den Reportern bei der Arbeit quasi über die Schulter blickten. Bei diesem Format bestünde allerdings die Gefahr, dass aus der Subjektivität schnell Manipulation und aus Spannung Effekthascherei werde. So sei es auch bei dem "Panorama"-Film "Das Lügenfernsehen" gewesen. Dabei sei die Welt peinlich genau sortiert: "hier die guten öffentlich-rechtlichen, dort die bösen Schmuddelkinder vom Privatfernsehen".



"Was ‚deckte‘ Anja Reschke in ihrer Reportage überhaupt auf?", fragt Winterbauer. "Sie fand heraus, dass zahlreiche Szenen in Nachmittags-Serien der privaten Sender mit gestellten Szenen arbeiten. Die Reihe ‚Die Schulermittler‘ von RTL ist sogar komplett erfunden (was in Vor- und Abspann auch offengelegt wird), tut aber so, als sei das gezeigte realistisch." Diese eher überschaubaren Enthüllungen seien mit Interviews angereichert worden, in denen dem früheren Postminister Christian Schwarz-Schilling und dem medienpolitischen Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion Wolfgang Börnsen mit "durchsichtigen Suggestivfragen zu Leibe gerückt" worden: Ob sie sich diese Art von Fernsehen gewünscht hätten, als sie sich damals fürs Privat-TV einsetzten. "Die Antworten kann man sich denken", so Winterbauer.



Der Medienjournalist beschreibt, wie in dem Beitrag der "RTL"-Sprecher Christian Körner in "die Rolle des Schurken" gedrängt wurde. So sei das RTL-Gebäude vom ARD-Team bereits von außen gefilmt worden, als "nähere man sich dem Dunklen Turm des bösen Herrschers in ‚Der Herr der Ringe’". Körner habe die undankbare Aufgabe gehabt, die Vorwürfe der NDR-Reporterin abzuwiegeln und als Buhmann dazustehen. "Dass er dabei keine besonders gute Figur machte, konnte dem NDR nur recht sein."

"Wesentliche Teile entfernt"


Wie perfide sich die "Panorama"-Redaktion die Wahrheit zurechtbiegt, macht Winterbauer daran deutlich, dass der Film schon einmal im Dritten Programm des NDR gelaufen ist und damals noch ganz anders aussah. Es seien für die Wiederausstrahlung in der ARD wesentliche Teile der ursprünglichen Reportage entfernt worden. Als Beispiel nannte er unter anderem einen Teil, der sich kritisch mit der RTL-Streetworker-Doku "Die Ausreißer" befasste. Immerhin habe die Doku 2008 den Deutschen Fernsehpreis erhalten, der unter anderem von der ARD verliehen würde. Auch sei der Sozialarbeiter aus "Die Ausreißer" schon in der ARD-Talkshow "Hart aber fair" gern gesehener Studiogast gewesen. Die fehlenden Passagen seien durch die Suggestiv-Interviews mit Schwarz-Schilling und Börnsen ersetzt worden.



"Lügen bestehen eben nicht nur darin, die Unwahrheit zu sagen", resümiert Winterbauer. "Lügen kann auch sein, gewisse Dinge wegzulassen oder in eine bestimmte Richtung zu drehen. So gesehen ‚lügen‘ die ‚Panorama‘-Leute genauso wie die Privaten von RTL, ProSieben und Co. Die ARD stellt sich dabei nur geschickter an. Ein kleines bisschen jedenfalls." (pro)
http://meedia.de/background/meedia-blogs/stefan-winterbauer.html
http://www.ardmediathek.de/ard/servlet/content/3517136?documentId=7638856
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