Politik und Bevölkerung: Unterschiedliche Wertvorstellungen

Wie weit haben sich Politik und Bevölkerung voneinander entfernt? Eine Studie des Kölner Marktforschungsinstituts "YouGov" offenbart: Gerade bei den wichtigen Aspekten Werte und Tugenden haben die Volksvertreter zum Teil ganz andere Vorstellungen als das Volk.
Von PRO

Die gute Nachricht zuerst: Sowohl für die Politiker als auch für die Bevölkerung steht "Ehrlichkeit" ganz oben auf der Werte-Skala. 38 Prozent der Parlamentarier nannten diese Tugend auf die Frage: "Welche Werte sind aus Ihrer Sicht für unsere Gesellschaft besonders wichtig?" Allerdings bezeichnete mit 60 Prozent ein deutlich größerer Anteil der Bürger "Ehrlichkeit" als Eigenschaft, die ihnen besonders am Herzen liegt.

Wirklich deutlich wird der Unterschied nach den Ergebnissen der YouGov-Wertestudie 2011, die pro vorliegen, bei den Plätzen zwei und drei der Werteskala: Bei den Abgeordneten aus Kommunal- und Landesparlamenten sowie dem Bundestag folgen auf der Werte-Skala "Gerechtigkeit" (28 Prozent) und "Solidarität" (27 Prozent). Zwei Begriffe, die man immer mal wieder auf Wahlplakaten lesen kann, die aber die Bevölkerung nicht wirklich zu interessieren scheinen. Denn: "Gerechtigkeit" taucht bei der offenen Abfrage unter den Deutschen gar nicht auf, "Solidarität" nannten lediglich 7 Prozent. Hingegen sind dem Volk mit je 22 Prozent "Treue" und "Zuverlässigkeit" besonders wichtig. "Treue" spielt bei den Politikern den Ergebnissen nach keine Rolle. Immerhin ein Fünftel der Abgeordneten (20 Prozent) findet "Zuverlässigkeit" bedeutsam.

Auch "Bescheidenheit" (5 Prozent) und "Offenheit" (7 Prozent) stehen in der Werteliste der Bevölkerung – nicht aber bei den Parlamentariern. Dafür nennen diese unter anderem erneut Wahlplakat-Schlagworte wie "Verantwortung", "Nachhaltigkeit" und "Soziales Engagement", die wiederum für die übrigen Deutschen belanglos zu sein scheinen.

Die sogenannten deutschen Tugenden wie "Höflichkeit", "Pünktlichkeit" und "Fleiß" haben nach Einschätzung der Abgeordneten in den vergangenen fünf Jahren an Bedeutung verloren. Das wird auch bei der Befragung der Bürger deutlich: Mit lediglich je 5 Prozent liegen "Fleiß" und "Ordnung" am unteren Ende von deren Werte-Skala. Auf "Höflichkeit" legen immerhin 10 Prozent der Befragten Wert. Diese Tugend ist jedoch nur für 5 Prozent der Politiker wichtig.

Eltern als Wertevermittler

Wer soll diese Werte vermitteln? Mit Abstand die meisten Parlamentarier sehen die Eltern in der Position des Vermittelnden. Auf die Frage "Wer hat aus Ihrer Sicht die höchste Autorität, wenn es darum geht, Werte und Tugenden vorzuleben bzw. vorzugeben?", nannten 88 Prozent der Volksvertreter die Eltern, 52 Prozent Erzieher und Lehrer, 34 Prozent Freunde, aber nur 26 Prozent führende Politiker. Geistliche oder Menschen aus den Kirchen/Religionsgemeinschaften wurden nur zu 16 Prozent als Vermittlungsautoritäten genannt, wobei die Abgeordneten von CDU/CSU mit 33 Prozent diese Vermittler doppelt so häufig nannten. Auch Prominente aus Musik oder Medien (12 Prozent) beziehungsweise Sport (6 Prozent) taugen nach Ansicht der Politiker nur bedingt als Vermittlungsautorität.

Allgemein gehen vier von zehn befragten Politikern von einem Bedeutungsverlust für Werte in der Gesellschaft aus. Nur knapp ein Drittel (32 Prozent) ist der Meinung, Werte seien wichtiger geworden. Der Anteil jener, die von einem Bedeutungszuwachs ausgehen, ist mit 41 Prozent bei den SPD-Abgeordneten am größten, gefolgt von Union (36 Prozent), Grünen (32 Prozent) und FDP (23 Prozent). Nur 16 Prozent der befragten Linke-Politiker sind dieser Meinung.

Die YouGov-Wertestudie 2011 ist nach Angaben des Marktforschungsinstituts eine dreistufige Untersuchung auf der Basis zweier kurzer repräsentativer Bevölkerungsumfragen und einer ausführlicheren Befragung von 914 gewählten Volksvertretern in den Kommunalparlamenten, den Landtagen und dem Deutschen Bundestag. Die Untersuchung entstand aus einer Kooperation des Markt- und Meinungsforschungsinstituts YouGov mit Sitz in Köln und der Change Centre Foundation, eines unabhängigen Think Tanks mit Sitz in Meerbusch bei Düsseldorf. (pro/dpa)

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