"Noch dominiert das religiöse Analphabetentum", stellt Matussek in dem Interview fest, "Aber es wird eine Renaissance der Religion geben", und dann brauche es "eine vitale Kirche und keine, die den Leuten nach dem Mund redet". Der begeisterte Katholik wünscht sich ein Festhalten seiner Kirche an traditionellen Positionen: "Es wäre sinnvoller, die Kirchensteuer abzuschaffen als den Zölibat." Statt sich mit Reformfragen wie der Frauenordination zu beschäftigen, täten die Deutschen überhaupt besser daran, sich mehr auf die Nöte der Weltkirche zu konzentrieren: "Die hat ganz andere Probleme, zum Beispiel, wie Christen in islamischen Ländern ihr nacktes Leben retten können. Oder wie man den Evangelikalen in Lateinamerika begegnet, ja, was man von charismatischen Bewegungen lernen kann. (…) Die katholische Kampfenergie sollte man umlenken, hin zu Solidarität mit den verfolgten Christen in Nigeria und Pakistan, weg vom Reformgequatsche unter alt gewordenen Attac-Haudegen." Matussek spielt damit auf Heiner Geißler an, den man als Kirchenkritiker, wie auch den Theologen Hans Küng, nicht ernst nehmen könne: "Das sind zwei alte, narzisstisch gekränkte Männer, die sich jeweils für den besseren Papst halten." Und überhaupt: "Die Deutschen nehmen sich zu wichtig."
Lob für Papst Benedikt
Matussek lobte Papst Benedikt XVI und sein "bescheidenes, menschliches" Auftreten, das er auch bei seinem Deutschlandbesuch im September an den Tag legen werde. Den Einwand von Alexander Kissler, Benedikt erscheine oft als "weltfremder Moralist", wehrt Matussek ab: "Dieses Bild ist ein Zerrbild, das die Medien in die Welt gesetzt haben", und weiter: "Benedikt XVI. hat ein unglaublich tiefes Verständnis von Liebe, Sexualität und Partnerschaft. In jeder zweiten Talkshow schwafelt hier jemand von Sexualmoral und geißelt dann den Zölibat. Warum? Weil die Verweigerung des Koitus offenbar die letzte Todsünde ist in unserer übersexualisierten Gesellschaft."
Der Protestantismus ist für den Autor, dessen neuestes Werk "Das katholische Abenteuer" heißt, keine Alternative: "Dieser dogmatische Unernst, dieser anstrengende Zwang zur Alltäglichkeit und zur ‚authentischen‘ Sprache ist nicht mein Weg". (pro)