"Sex im Überfluss – Doch wo bleibt die Lust?" war die zentrale Frage der Sendung. Über 80 Prozent aller Jungen im Alter von 15 Jahren konsumieren Pornos über das Internet – dort sind die Filme meist ohne Alterskontrolle frei verfügbar. Auch in der Popkultur, etwa in Musikvideos oder Texten der Rapper "Sido" und "Frauenarzt", würden pornografische, gewalttätige und extrem frauenfeindliche Szenen beschrieben, hieß es in der von Holger Noltze moderierten Diskussionsrunde der Reihe "west.art" am Sonntagmorgen.
Der Journalist und Autor des Buches "Generation Porno", Johannes Gernert, hat intensiv über den Pornokonsum Jugendlicher recherchiert. Als Hauptursachen benannte er neben dem Wunsch nach sexueller Erregung auch die schiere Neugier, "es ist für Jugendliche wichtig, auf dem Schulhof mitreden zu können". "13, 14, 15-jährige Mädchen stellen bereits freizügige Fotos von sich ins Netz", erklärte er. Das Bewusstsein für sexuelle Optik steige bei jungen Leuten. Viele Jugendliche hätten zahlreiche Fragen zu dem Thema, die durch die Pornografie aufgeworfen würden, aber von Lehrer nicht ausreichend beantwortet würden. Der evangelische Theologe und Professor für Religionssoziologie, Thomas Schirrmacher, sieht ein großes Problem darin, dass viele Pornofilme Sex in Verbindung mit Gewalt zeigen. "Das in Pornos vermittelte Frauenbild hat mit der Realität nichts zu tun", so Schirrmacher. "Es besteht ein gesellschaftlicher Konsens darüber, dass wir das, was da Jugendlichen verfügbar gemacht ist, nicht wollen."
Die ehemalige Pornodarstellerin Kelly Trump, die 2001 aus der Branche ausstieg, sieht die allgemeine Verfügbarkeit von Pornografie als ein Problem: "Früher musste man handeln, um an Pornos zu kommen – heute sind sie einfach da." Es dürfe nicht sein, dass sich beispielsweise bereits Teenager pornografische Filme ansähen. Die Journalistin Paula Lambert stimmte zu und sorgt sich vor allem über die praktischen sexuellen Erfahrungen der Jugendlichen: "Pornos schüren Erwartungen, die der Partner nicht erfüllen kann – und man selbst auch nicht", so die Kolumnistin, die unter anderem für das Männermagazin "GQ" schreibt. Unrealistische und übertriebene Darstellungen, führte Kelly Trump an, gebe es auch in Action- oder Horrorfilmen. "Porno ist Theater, ist eine Vorführung". "Aber die Unterhaltung durch Theater setzt voraus, dass ich die Realität kenne, und das ist bei den Teenagern nicht der Fall", entgegnete Schirrmacher.
Porno-Konsumenten suchen eigentlich Bestätigung
Der Psychoanalytiker Hans-Joachim Maaz erklärte: "Ein Aspekt ist der Sexualität ist die narzisstische Bedürftigkeit. Menschen benutzen Sexualität auch, um sich wichtig, bedeutend und geliebt zu fühlen." Offenbar gebe es einen Mangel an persönlicher Bestätigung. "Die Gefahr, dass man sich sexuell benutzen lässt, um ein Bestätigungsdefizit auszugleichen, ist relativ groß", so der Experte. Die wirklichen seelischen Probleme würden dadurch nicht gelöst.
In seinem Buch "Internetpornografie – und was jeder darüber wissen sollte" geht Schirrmacher ausführlicher auf die Problematik ein. Es ist im Hänssler-Verlag erschienen und wurde in Zusammenarbeit mit dem Christlichen Medienverbund KEP herausgegeben. (pro)