Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Frank-Walter Steinmeier, erklärte, Grundvoraussetzung eines Miteinanders von Kirche und Staat sei ihre institutionelle, aber auch die religiöse Neutralität des Staates sowie die Gewährung der Religions- und Weltanschauungsfreiheit. Religion müsse privat und öffentlich auslebbar sein. Andererseits sollten Religionen Bereitschaft zur Selbstreflektion beweisen. Die starke Nachfrage nach einer Veranstaltung zum Verhältnis von Staat und Kirche zeige, dass "augenscheinlich eine Diskussion wieder aufgebrochen" sei. In diesem neu erwachten Interesse spiegelten sich weltpolitische Veränderungen seit dem 11. September 2001. "Wir werden auch mit der destruktiven Kraft der Religion noch lange Zeit zu rechnen haben", sagte Steinmeier. Religion diene "manchmal zum Guten, aber häufig genug auch zum Schlechten". Klar sei aber: Das aufklärerische Paradigma, dass Relgion Privatsache sei, passe "offensichtlich immer weniger in unsere Zeit". Künftig müsse sich die deutsche Politik etwa der Herausforderung stellen, den Islam ins Staatskirchenrecht zu integrieren. Gleichzeitig seien Kirche und Politik herausgefordert, zu erklären, warum das "christliche Erbe noch Bedeutung haben soll".
Kirche: "Instanz der Orientierung"
Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück, nannte die Kirche eine "Instanz der Orientierung". Selbst nichtkirchliche Organisationen fragten Christen nach ihrer Einschätzung ethischer Fragen, etwa wenn Kirchenvertreter zum Weltwirtschaftsforum eingeladen würden. Kirche mache sich vor allem durch ihre diakonischen Dienste im Staat verdient. Dieser Dienst gelte keineswegs nur den Christen, sondern allen Menschen – für Glück ein Grund, sich gegen die stärkere Trennung von Staat und Kirche auszusprechen. Das christliche Selbstverständnis der Bundesrepublik habe letztendlich auch dazu geführt, dass nirgendwo in Europa so stark über ethische Punkte wie Fragen des Lebensrechts gerungen werde. Dogmatismus und Fundamentalismus gebe es in allen Religionen, auch im Christentum, daher sei eine ständige Selbstreflektion notwendig. Der Atheismus könne ebenfalls dogmatische Züge haben. Heilsam sei für die christliche Theologie etwa die Zusammenarbeit mit den Hochschulen gewesen.
Islamische Theologen ausbilden
Der Professor für öffentliches Recht an der Universität Göttingen, Hans Michael Heinig, sprach sich in diesem Zuge für die Einrichtung islamischer Studien an deutschen Universitäten aus. Eine universitäre Theologie habe "aufklärerisches Potential", stellte er fest. Auch die Volkskirchen seien nicht immer "glühende Verfechter" einer Rechtsstaatlichkeit gewesen. Wie sie könne auch der Islam durch Integration demokratisches Potential entwickeln. Der Laizismus weise hingegen einen "freiheitsfeindlichen Überschuss" auf. Er neige eher dazu, pauschal auszugrenzen, denn zu integrieren. Religiöse Konflikte würden durch den Laizismus verdrängt, "aber nicht produktiv bearbeitet", sagte Heinig.
Staatskirchenrecht: "Optimales Maß an Freiheit"
Auch der langjährige Präses der EKD-Synode, Jürgen Schmude, sprach sich gegen eine stärkere Trennung von Staat und Kirche aus. Eine Abschaffung der Kirchensteuer würde beispielsweise zu einer deutlichen Schwächung der kirchlichen Wirksamkeit und Effizienz in der deutschen Gesellschaft führen. Es würde die Kirchen zwingen, sich auf ihre Kernkompetenzen, Seelsorge und Verkündigung, zu beschränken. Auf der Strecke blieben Kinder- und Jugend- oder Sozialarbeit. Wer eine Abschaffung der Kirchensteuer fordere, "soll auch diese Konsequenzen in Betracht ziehen", sagte Schmude. Hinzu komme: Kirchensteuer müsse niemand zahlen. "Wer will, tritt aus." Er nehme zudem wahr, dass sogar nichtreligiöse Eltern ihre Schützlinge in konfessionelle Kindergärten oder den Religionsunterricht schickten. Wer dies nicht wolle, sei aber auch frei, seine Kinder abzumelden. Für Schmude ist das ein "optimales Maß an Unabhängigkeit und Freiheit". Somit sei ein grundlegender Eingriff in das "jetzige bewährte Verhältnis von Staat und Kirche" nicht notwenig.
Im Juni des vergangenen Jahres trafen sich 12 SPD-Mitglieder in den Räumen des Humanistischen Verband Deutschlands in Nürnberg zur Gründung eines laizistischen Arbeitskreises. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse, seit 20 Jahren Mitglied der Partei und gläubiger Katholik, betonte damals gegenüber pro, dass die SPD auch mit einem laizistischen Arbeitskreis keine antikirchliche Partei werde: "Die SPD ist eine weltanschauliche plurale Partei. Hier wirken Menschen mit unterschiedlichen religiös-weltanschaulichen Überzeugungen zusammen. Deswegen gibt es in dieser SPD auch Atheisten, Agnostiker und Laizisten." (pro)