Bei dem "Interview der Woche", das der Deutschlandfunk am heutigen Sonntag gesendet hat, diskutierten der Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und der Islamwissenschaftler Abdelmalik Hibaoui über den "deutschen Islam". Im Interview "Ein Gott zum Kuscheln" in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung befragte der Journalist Peter Richter den Theologieprofessor Friedrich Wilhelm Graf über seine Position zur Integrationsdebatte und die Thesen seines neuen Buches "Kirchendämmerung", das im Februar erschienen ist.
Innenminister Friedrich sieht Menschen muslimischen Glaubens klar als "Teil unserer Gesellschaft". Es sei Aufgabe der Politik, sich damit auseinander zu setzen, wie diese Menschen integriert werden könnten und wie man ihnen bei der Integration zur Seite stehen könne. Man müsse bei der Islamkonferenz, die am kommenden Dienstag erstmals unter seiner Leitung stattfinde, ganz konkret überlegen, was getan werden müsse, "damit Menschen, Deutsche und muslimischen Glaubens ihre Religion hier bei uns leben können". Dabei sei die praktische Frage, wie die Ausbildung von muslimischen Religionslehren oder Imamen nach deutschen Vorstellungen und kulturellen Errungenschaften gestaltet werden könne. Die Debatte über Muslime, die das Buch von Thilo Sarrazin ausgelöst habe, zeige, "dass wir in der Gesellschaft offenkundig ein Problem haben". Die Islamkonferenz könne einen wichtigen Beitrag leisten zur Integration und auch zu einer möglichen "Sicherheitspartnerschaft" mit muslimischen Verbänden.
Friedrich hatte massive Kritik von Islamverbänden und Opposition auf sich gezogen, weil er kurz nach Amtsantritt gesagt hatte, es gebe keine historischen Belege dafür, dass der Islam zu Deutschland gehöre. Friedrich äußerte im Gespräch mit Deutschlandfunk-Moderator Stephan Detjen Bedauern darüber, dass seine Äußerung dazu benutzt würde, "einen Keil zu treiben" zwischen Muslime und ihn. Man müsse aber dem Innenminister den Hinweis darauf, dass die deutsche Kultur christlich-abendländisch geprägt sei, zubilligen.
Nach Ansicht des Islamwissenschaftlers Hibaoui dürfen die Werte, die ein deutscher Islam bräuchte, "keinesfalls dem Grundgesetz oder der Rechtsordnung widersprechen". Der entscheidende Punkt der Integration sei, "wenn ich als Mensch und Moslem mich an die Grundgesetze und die Grundlagen des Landes halte, sie achte und noch ein Stück weiter als Moslem loyal zu dem Land stehe". Man könne dennoch nicht von einem "deutschen Islam" sprechen. Zwar sei der Islam seit 50 Jahren Teil der Bevölkerung in Deutschland und "somit auch ein Teil der gewissen Vielfalt in unserem Land", trotzdem könne man erst über einen deutschen Islam reden, wenn Imame, Theologen und Lehrkräfte in den deutschen Hochschulen ausgebildet würden.
Muslimische Gemeinden finanziell fördern?
Friedrich Wilhelm Graf, Professor für Systematische Theologie und Ethik an der Universität München geht noch einen Schritt weiter: In einem Interview mit der FAS fordert er eine gleichberechtigte staatliche Förderung für christliche Kirchen und islamische Gemeinden. "Ich glaube, dass die Kirchen gut daran tun, sich ihrerseits zu überlegen, ob zu viel Staatsabhängigkeit ihnen nicht schadet und ihrer Glaubwürdigkeit bei den Leuten", so der kirchenkritische Theologe. "Hinzu kommt, dass wirklich Gerechtigkeitsprobleme entstehen, wenn der Staat die christlichen Kirchen privilegiert, die isalmischen Gemeinden aber nicht." Zwar gebe es aufgrund fehlender kirchenartiger Organisationsstrukturen Probleme bei der finanziellen Förderung, diese können man aber lösen. Integration bedeute, dass die Muslime niemals das Gefühl haben dürften, sie seien in der deutschen Gesellschaft diskriminiert.
Außerdem spricht er sich für die Gleichstellung des Islams in bestimmten Punkten aus. Als Beispiel nennt Graf Angebote für muslimische Theologen an deutschen Universitäten zur Ausbildung von Imamen.
Kuschelgott und Wandel der Religionskultur
In seinem Buch "Kirchendämmerung" analysiert der Theologe außerdem "sieben Kardinal-Untugenden der Kirchen". Unter anderem weist Graf auf die Veränderung des Rollenprofils des Pfarrerberufes hin: Im Theologiestudium dominierten neuerdings junge Frauen, meistens eher mit kleinbürgerlichem Hintergruns, eher Muttitypen als wirklcih Ntellektuelle, und eine Form von Religiosität, in der man einen Kuschelgott mit schlechtem Geschmalck verbinden kann", provozierte er. Weiter stellte er die Frage, was es bedeute, wenn der Pfarrberuf für Männer nicht mehr attraktiv sei.
Graf wolle auch sensibel machen für einen Wandel der Religionskultur: "Wir erleben zwei Trends: Der eine ist die Eventisierung: Papstbesuch, Kirchentag und so weiter." Das andere sei das Umstellen auf einen Psychojargon, in dem es permanent um das ‚Fühl dich wohl‘ gehe und in dem elementare Spannungen und Widersprüche des Lebens kaum noch ein Rolle spielten. Friedrich Wilhelm Graf wurde 1999 als erster Theologe mit dem Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) ausgezeichnet. (pro)