Vorwürfe im „Vorwärts“: Bedrohte Demokratie?

"Religiöser Fundamentalismus bedroht Demokratie", hat die SPD-Parteizeitung "Vorwärts" kürzlich in ihrer Online-Ausgabe behauptet und auf den Besuch von Vertretern der Evangelischen Allianz in Deutschland (DEA) Ende Oktober im Kanzleramt verwiesen. Der Vorsitzende der DEA, Jürgen Werth, hat den Artikel gegenüber pro scharf kritisiert.
Von PRO

"Während Bundeskanzlerin Angela Merkel christliche Fundamentalisten im Kanzleramt empfängt und hinterher erklärt, sie nehme die Evangelikalen in Deutschland als besonders ‚intensiv evangelische Christen‘ wahr, warnt ihr Amtsvorgänger genau davor", schrieb der Leitende Redakteur des "Vorwärts" Lars Haferkamp und zitierte Gerhard Schröder, der bei einem Besuch der privaten Universität Bucerius Law School in Hamburg gesagt hatte: "Religiöse Fundamentalisten, die sich für ‚erleuchtet‘ halten, sind für Argumente nicht mehr zugänglich." Damit seien sie eine Bedrohung für die Demokratie. Der "Vorwärts" nannte als Beispiel die "Tea-Party-Bewegung", die in dem Beitrag als eine "christlich fundamentalistische Gruppe in den USA" bezeichnet wurde. Es sei nicht ausgeschlossen, dass diese Bewegung auch in Deutschland Fuß fasse.

"Der Artikel macht deutlich, dass der Redakteur des ‚Vorwärts‘ weder die politische Szene in den USA noch die christliche Szene in Deutschland kennt", kritisiert Jürgen Werth den Beitrag. "Die ‚Tea-Party‘ ist keinesfalls eine ‚christlich fundamentalistische Bewegung‘, sondern eine konservative Bürgerbewegung, die ausschließlich politische Ziele verfolgt." Der Anteil von christlich motivierten Mitgliedern sei dort verschwindend gering. "Die Besucher, die von der Kanzlerin empfangen wurden, sind übrigens genauso Mitglied der Evangelischen Kirche wie Gerhard Schröder", ergänzt Werth, der selbst Teil der Delegation war und stellvertretendes Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sowie Mitglied der EKD-Kammer für weltweite Ökumene ist. "Ich verstehe nicht, wie man evangelische, meinetwegen auch ‚intensiv evangelische‘ Christen als ‚Bedrohung für die Demokratie‘ sehen kann." Die Evangelische Allianz sei darüber hinaus beständig im Gespräch mit den demokratischen Parteien in Deutschland, "auch mit der SPD".

Bereits vor zwei Jahren hat der damalige EKD-Ratsvorsitzende Bischof  Wolfgang Huber erklärt, Evangelikale und Fundamentalisten gleichzusetzen widerspreche seiner Erfahrung. Auch der Präses des pietistischen Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbands, Michael Diener, kann der Argumentation des "Vorwärts" nicht folgen. Gegenüber pro sagt er: "Wer evangelikale Christinnen und Christen auf diese Weise pauschal diffamiert und als Gefahr für unsere Demokratie darstellt, verkennt böswillig oder ignorant, dass substantielle Werte unseres demokratischen Gemeinwesens, wie der Schutz der Menschenwürde, Meinungsfreiheit, Gewaltlosigkeit, Verantwortungsbereitschaft gerade von denen geachtet und gelebt werden, die sich biblisch-christlichen Maßstäben, wie etwa Gottebenbildlichkeit jedes Menschen, Nächsten- und Feindesliebe, Schöpfungs- und Weltverantwortung verpflichtet wissen." Der Gnadauer Gemeinschaftsverband vertritt etwa 300.000 evangelikale Christen innerhalb der evangelischen Landeskirchen in Deutschland.

"Es ist doch offensichtlich, dass mit dem Beitrag die Kanzlerin diskreditiert werden soll", fügt Werth hinzu. "Allerdings ist der Versuch des ‚Vorwärts‘, einen Zusammenhang zwischen der ‚Tea-Party-Bewegung‘ und der Deutschen Evangelischen Allianz herzustellen, um damit der Kanzlerin zu schaden, schon sehr abenteuerlich." (pro)

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