ZDF-Beitrag: Heiliger Krieger oder guter Moslem?

Ist der islamische Dschihad in erster Linie ein militärischer Kampf gegen Andersgläubige, um das islamische Territorium zu erweitern oder doch "nur" ein wichtiges Glaubensprinzip, das dem Gläubigen hilft gut zu leben? Mit den verschiedenen Ausprägungen des Dschihad beschäftigte sich der erste Teil der zweiteiligen Serie "Wohin treibt der Islam?", der gestern im ZDF zu sehen war.
Von PRO

Die beiden Autoren Friedrich Klütsch und Daniel Gerlach stellten
unterschiedliche Ausprägungen vor. Der 45-minütige Beitrag startete in Hamburg, wo im Jahr 2000 der Terrorprediger Mohammed Al-Farsi in einer Moschee zu Gast war und harte Strafen gegen Ungläubige
gefordert hatte. Zusätzliche Brisanz gewinnt die Szene dadurch, dass drei
der Zuhöer die späteren Attentäter des 11. September waren.
Danach macht der Film einen geographischen Sprung in den Mittleren Osten, wo der bewaffnete Kampf für die Sache des Islam nicht nur gepredigt, sondern auch gelebt werde. Ein Teil dieser Entwicklung sei mit dem "Kofferbomber von Köln" und den Ereignissen der "Sauerland-Gruppe" auch nach Deutschland geschwappt. Der deutsche Innenminister Thomas de Maziere (CDU) bilanziert in dem Beitrag: "Die Szene des Dschihadisten ist nicht unbeachtlich und ungefährlich, aber nicht lebensbedrohlich für unser Land."



Extremismus in Frage stellen



Gezeigt wurde auch das ehrenamtlich geführte Hannoveraner Modellprojekt "Schura e. V.", das die Verbreitung radikaler Ideen durch Information und Intervention verhindern möchte und dafür den Schulterschluss mit Medien und Politik sucht. Die englische Organisation "Quiliam-Foundation", ein Aussteiger-Programm stellt die Ideen der Dschihadisten radikal in Frage und fordert die Extremisten so heraus. Kurz portraitiert wird auch der indonesische Spitzenpolitiker Amien Rais, der als Hoffnungsträger und Friedensbewahrer in der weltweit größten muslimischen Demokratie gilt.



Eine ganz andere Ausprägung des Dschihad zeigt der Film mit der Kairoer Al-Azhar-Universität. Sie gilt für viele Muslime als ungebrochene Autorität auf dem Gebiet der islamischen Theologie. Der Konvertit und dortige Koran-Lehrer Hasan Günther Ndayisenga Al-Kindi betont in dem Beitrag die Vollkommenheit des Buches. Der Koran lege einen Rahmen fest, den man nicht überschreiten dürfe, innerhalb dessen man aber für das persönliche Leben einen Spielraum habe.



Sendemasten ersetzen Minarette



Eine mächtige Konkurrenz erwachse der Universität in der jüngsten Entwicklung durch das Medienimperium "Al-Dschasira" von Scheich Yussuf Al-Qaradawi. Wie die Autoren feststellen, würden auf diese Weise "Sendemasten durch Minarette" ersetzt. Nach eigene Angaben erreiche der Sender "im Mantel traditioneller muslimischer Frömmigkeit" weltweit 160 Millionen Zuschauer. Für eine zeitgemäße Auslegung des Islam wirbt Nasr Hamid Abu Zaid. Eine wortwörtliche Auslegung des Koran sei nicht möglich, da er in einem historischen Zusammenhang stehe und von menschlicher Kultur und Gesellschaft geprägt sei.

Die Autoren treffen aber auch auf Menschen, für die der Dschihad bedeutet, einfach nur ein guter und frommer Mensch zu sein. Portraitiert wird ein Hamburger Tierarzt, der nichts mit Gewalt zu tun möchte und seinen Dschihad darin sieht, seine Kinder mit den Glaubenssätzen des Islam vertraut zu machen, damit sie "immer auf dem geraden Weg bleiben".


Die 45-minütige Weltreise führt den Fernsehzuschauer nach Berlin-Neukölln. An der dortigen Rütli-Schule, die 2006 durch Gewaltszenen in die Schlagzeilen geriet, hat der palästinensischer Unternehmer Ahnad Al-Sadi mit weiteren Ehrenamtlichen das Konzept "Campus Rütli" entwickelt. Dies verschafft den Kindern am Nachmittag nach der Schule ein sinnvolles und vernünftiges Angebot  – und führte zu einer deutlichen Verbesserung des Schulklimas.



Auf das Potential der Menschen setzen


Der Wissenschaftler Ahmed Zewail, der einzige lebende Muslim, der bisher mit einem Nobelpreis ausgezeichnet, fordert im Blick auf die Zukunft auf das Potential der Menschen zu setzen. Mit dem "Bildungs-Dschihad" könne man an die moderne Entwicklung anknüpfen. Die moderne Architektur und andere wissenschaftliche Errungenschaften, wie sie in Katar vorkommen, müssten dann nicht mehr von außen eingekauft werden. Aus Sicht des Historikers und Publizisten Hamed Abdel-Samad produziere der Islam zu wenig weltliches Wissen. "Der Islam braucht keine Reformen mehr, sondern Häretiker, die verrostete Strukturen hinterfragen", so das Mitglied der Deutschen Islamkonferenz.

Wie Koran und Demokratie zusammen passen, danach fragt die zweite Folge, die am heutigen Abend um 22.15 Uhr im ZDF ausgestrahlt wird. Darin kommt auch der zum Christentum konvertierte Nassem Ben Iman zu Wort, der den Zorn von religiösen Eiferern fürchtet. (pro)

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