Shirley Chaplin hatte sich geweigert, ihr Kreuz abzulegen – obwohl ihr Arbeitgeber, der "Royal Devon and Exeter Hospitals NHS Trust", es ihr verboten hatte. Auch die am Dienstag ergangene Bestätigung dieser Weisung durch ein Arbeitsgericht akzeptiert sie nicht. Durch das Kreuzverbot fühlt sie sich daran gehindert, ihren Glauben auszudrücken, zitiert der TV-Sender BBC die 54-Jährige. Das Gericht hingegen sah keinen Grund zur Annahme, Chaplin werde in ihrem Glauben diskriminiert. Der Arbeitgeber habe in einer "vernünftigen" Weise gehandelt, zitiert BBC. Die Kleidungsregeln der Klinik verbieten es Krankenschwestern und Ärzten, Ketten zu tragen, weil Patienten daran zerren und das Personal so verletzen könnten.
Das Gericht stellte laut der Tageszeitung "Times" fest, dass Klinikpersonal anderer Glaubensüberzeugungen ähnlich behandelt worden sei wie Chaplin. Sikhs hätten ihre Armbänder ablegen müssen, die Kopftücher von Muslimen müssten möglichst eng am Kopf anliegen. Die BBC berichtet, das Krankenhaus habe Chaplin angeboten, ihr Kreuz in der Tasche ihrer Uniform aufzubewahren. Chaplin sah das als Aufforderung, ihren Glauben zu verstecken. Stattdessen bot sie an, eine kürzere Kette zu tragen. Das Krankenhaus, Chaplins Arbeitgeber seit Jahrzehnten, lehnte ab. Weil sie ihre Kette nicht ablegte, wurde sie in den Bürodienst versetzt. Dort will sie ihr Kreuz weiterhin tragen. Chaplin gehört der "Freien Kirche von England" an, einem Mitglied der Evangelischen Allianz.
"Holz-köpfige bürokratische Dummheit"
Jane Viner, Vorgesetzte von Chaplin, zeigte sich hingegen "absolut zufrieden" mit dem Urteil. "Das waren sehr ernste Anschuldigungen der direkten und indirekten Diskriminierung, und wir sind froh, dass das Gericht sie komplett abgewiesen hat", sagte sie gegenüber BBC. Chaplin hingegen sagte, das Gesetz sei wohl nicht auf der Seite der Christen. Sie fühle sich verfolgt. Das "Christian Legal Center", das sich für die Rechte von Christen einsetzt, will im Fall Chaplin nochmals vor Gericht ziehen.
Unterstützung erhält Chaplin von kirchlicher Seite. Die Zeitung "Daily Telegraph" zitiert den ehemaligen Erzbischof von Canterbury, George Carey: "Für viele Christen ist das Tragen eines Kreuzes ein wichtiger Ausdruck ihres christlichen Glaubens, und sie würden sich beraubt fühlen, wenn es ihnen, aus einem ungerechten Grund, nicht erlaubt würde, es zu tragen. Von einem Arbeitgeber gebeten zu werden, das Kreuz zu entfernen oder zu ‚verstecken‘, bedeutet, den Christen darum zu bitten, seinen Glauben zu verstecken." Der amtierende Erzbischof, Rowen Douglas Williams, verurteilte laut "Times" die "holz-köpfige bürokratische Dummheit" der Kleidungsregeln.
Christentum unter Beschuss
Die Zeitung "Christian Today" zitiert eine Umfrage des britischen "Premier Christian Radio". Demnach meinen 81 Prozent der Hörer, Christen sollten das Recht haben, ein Kreuz auf der Arbeit zu tragen. Der Bischof von Lichfield, Jonathan Gledhill, erklärte im Hörfunkprogramm, es erscheine albern, dass Muslimen das Tragen von Kopftüchern und Sikhs das Tragen von Turbanen erlaubt sei, Christen aber Kreuzschmuck untersagt würde. Der Vorsitzende des "Muslimischen Ausbildungszentrum Oxford", Taj Hargey, schreibt in der Zeitung "Daily Mail": "Das Christentum steht in diesem Land unter Belagerung." Großbritanniens Staatsreligion sei niemals zuvor so marginalisiert worden, insbesondere von öffentlichen Institutionen, die sie eigentlich schützen sollten. "Ich bin ein Moslem. Aber sogar als Nicht-Christ sehe ich ganz klar die beschämende Weise, in der Großbritanniens nationaler Glaube erodiert wird. In der Tat, ein Kruzifix zu verbieten macht eine Farce aus unserem wertvollen Recht der Religionsfreiheit."
In der Vergangenheit waren immer wieder Fälle von Christen in Großbritannien bekannt geworden, die sich religiös diskriminiert fühlten. Die ebenfalls bei NHS angestellte Krankenschwester Caroline Petrie wurde Ende 2008 suspendiert, weil sie mit einem Patienten gebetet hatte. Für Diskussionen sorgte auch der Fall der Mitarbeiterin der Flugggesellschaft "British Airways", Nadia Eweida, im Jahr 2006, die sich geweigert hatte, das Kreuz an ihrer Halskette im Dienst zu verbergen. Die Hauslehrerin Olive Jones wurde im November 2009 suspendiert, nachdem sie mit einem kranken Schüler gebetet hatte.
Kleidungsvorschrift oder Diskriminierung?
Die Zeitung "Telegraph" sieht im Fall Chaplin jedoch keine religiöse Diskriminierung. Wie in dem Fall bei "British Airways" gehe es um Kleidungsvorschriften, auch wenn diese vielleicht unnötig seien.
Die britische Organisation "Secular Society" erklärte, der Fall Chaplin zeige, dass es ihr mehr um das Recht zur Evangelisation gegangen sei, als darum, auf eine Diskriminierung hinzuweisen. "Die Menschen müssen sich klar darüber sein, dass hinter vielen dieser Fälle Gruppen stecken, deren politische Agenda sich daraus speist, Gefühle der Diskriminierung und Marginalisierung unter Christen zu wecken. Wieder einmal sehen wir, dass die Behauptungen von Christen, sie würden verfolgt, sich als falsch herausstellen, wenn sie geprüft werden."
Shirley Chaplin wird dennoch weiter gegen das Vorgehen ihres Arbeitgebers kämpfen: "Ich kämpfe und kämpfe um das Recht für Christen zu gewinnen, ihren Glauben heutzutage in Großbritannien auszuleben – alles andere wäre eine Verneinung meiner christlichen Pflicht." (pro)