Noch 1974 hatte die FDP-Bundestagsfraktion ein Papier verabschiedet, in dem die Abschaffung der Kirchensteuer und eine stärkere Trennung von Kirche und Staat gefordert werden. Heute jedoch wächst die Gruppe der "Christen in der FDP" stetig, ihr gehörten aktuell bereits 40 Bundestagsabgeordnete der Liberalen an, fast die Hälfte der Fraktion, schreibt der "Spiegel".
Gründer der Gruppe ist der FDP-Abgeordnete Patrick Meinhardt, evangelischer Christ aus Baden. "Wir wollten unseren Glauben endlich auch im Parlament offen vertreten", sagt Meinhardt dem "Spiegel". Er berichtet auch von einer Andacht im eigenen Andachtsraum des Bundestages, zu der erstmals nur FDP-Abgeordnete eingeladen waren. "So voll was es hier noch nie", sagt er. Als Grund für die Besinnung auf den christlichen Glauben seiner Partei sagt Meinhardt: "Wir waren elf Jahre in der Opposition, da stellt man Sinnfragen."
"Freiheit in der Bibel"
Bekanntes Mitglied der Gruppe ist auch der Haushaltsexperte Otto Fricke. Für ihn gibt es keinen Widerspruch zwischen liberaler Politik und christlichem Glauben. "Die Freiheit und der Einzelne spielen in der Bibel eine große Rolle", so Fricke im "Spiegel".
Dass die Christen in der FDP gerade jetzt so stark auftreten, hänge auch mit der Schwäche der Union zusammen, mutmaßt das Magazin. Viele Wertkonservative seien von der CDU und CSU enttäuscht, sie fänden das "C" in der Union von Angela Merkel nicht mehr wieder.
Spannend werde es jedoch sein zu beobachten, wie sich die Christen in der FDP positionieren, wenn die Parteilinie von der christlichen Lehre abweiche – etwa bei Fragen der Sterbehilfe, Stammzellenforschung oder dem Adoptionsrecht gleichgeschlechtlicher Paare, heißt es im "Spiegel" weiter.