"Das größte Thema unserer Gesellschaft sind die Erziehungsprobleme und
damit verbunden – die Erosion der Werte", so Sieland gegenüber "Stern".
In Medien und Bildungspolitik werde dies aber kaum thematisiert.
Die
aktuelle Ausgabe des Hamburger Magazins widmet sich dem Thema Mobbing
an Schulen. Die Autoren Michael Stoessinger und Michael Streck lassen
darin Kinder zu Wort kommen, die teilweise jahrelange Bedrohungen und
Ausgrenzungen in der Schule erlebt haben. Besonders schlimm erleben
Betroffene die gegen sie gerichtete Hetze, wenn Lehrer und
Schuldirektoren sie mit Aggressionen und Gemeinheiten alleine
lassen, statt sie vor Übergriffen und Bedrohungen zu schützen.
Eine vor kurzem veröffentlichte Studie des Zentrums für empirische pädagogische Forschung an der Universität Koblenz-Landau (Zepf) hatte ergeben, dass Mobbing von Schülern vor allem im Internet stark zunimmt. In über 80 Prozent der Fälle stecken dahinter Klassenkameraden. Deutschlandweit befürchten die Verantwortlichen der Studie rund 1,9 Millionen jugendliche Opfer von Cybermobbing. Auch der Leiter der Studie, Reinhold Jäger, sieht die Schulen in der Pflicht. Sie müssten Eltern in puncto Medienerziehung anleiten. Voraussetzung dafür sei, dass die Lehrkräfte innerhalb ihrer Ausbildung umfassende Kurse zur Medienerziehung besuchen.
Eignungstests für Lehramtsstudenten
Laut Sieland sind die Erziehungsaufgaben an Schulen stetig gewachsen. Dies sei immer so gewesen, denn "Schule hat auf gesellschaftliche Notlagen zu reagieren". Für die wachsenden Bildungsaufgaben und Anforderungen im Schulalltag erhielten Lehrer jedoch weder mehr Zeit noch würden sie während der Ausbildung darauf vorbereitet. Er fordert außerdem Eignungstests für angehende Lehramtsstudenten: "Wer in Deutschland Kunst studieren will, muss eine Mappe vorlegen. Wer Musik studieren will, muss vorspielen", so Sieland. Wer Kinder unterrichten wolle, müsse jedoch keine Qualifikationen außer dem entsprechenden Numerus Clausus vorweisen. Dabei bräuchten gerade Lehrer ein ausreichendes Maß an emotionaler Stabilität und Frustrationstoleranz. Diese Fähigkeiten müssten Bewerber mitbringen, denn in der Ausbildung könnten sie nicht erworben werden.
Lehrer sind überfordert und allein gelassen
Im Schulalltag würden Lehrer mit den täglichen Anforderungen allein gelassen. "Wir bräuchten unterricht-begleitende Supervisionen und ein kollektives Teamcoaching." Er bemängelt auch, dass Lehrer grundsätzlich als Einzelkämpfer vor der Klasse stehen. Besser wäre es, den Unterricht zu zweit durchzuführen.
Lehrer fordert er außerdem dazu auf, nicht "defizitorientiert" zu unterrichten, also nicht das Wenige, was ein Schüler falsch gemacht hat, in den Vordergrund zu stellen, sondern die vielen Dinge, die ein Schüler bereits kann, zu loben. "Was uns fehlt, ist eine Würdigungskultur."
Ähnliches fordert Sieland von den Medien, die er dazu aufruft, kontinuierlich über Bildungs- und Erziehungsthemen zu berichten – nicht nur in tragischen Fällen wie dem Amoklauf von Winnenden.