Christliche Schulen als muslimfreie Zonen?

Bisher mussten Eltern ihre Kinder immer in der nächstgelegenen Grundschule anmelden. In Nordrhein-Westfalen hat die Regierung diese Regelung nun aufgehoben. Die Folge: Konfessionelle Schulen haben lange Wartelisten und müssen sogar Schüler abweisen. Das führt in Nordrhein-Westfalen jetzt zu Diskussionen. 
Von PRO
Das Magazin "Der Spiegel" berichtet in seiner Onlineausgabe von zwei katholischen Grundschulen in Bonn, die zwei ungetaufte Kinder nicht aufgenommen haben. So wurde die sechsjährige Fee, die direkt neben der katholischen Donatus Schule in Bonn wohnt, dort abgewiesen mit der Begründung, sie sei nicht getauft. "Das (Glaubens-)Bekenntnis hat Vorrang vor dem Wohnort", zitiert "Spiegel Online" einen Sprecher der schwarz-gelben Landesregierung, der das Verfahren der Schule rechtfertigte. Statt in den Genuss eines kurzen Schulweges an der katholischen Grundschule zu kommen, müssten die Eltern die Schulanfängerin nun in ein anderes Stadtviertel bringen.

Bisher gab es derartige Verfahren und Auswahlmöglichkeiten nicht. Eine Schule musste die Schüler aus dem jeweiligen Einzugsbereich aufnehmen. Zum neuen Schuljahr hat die schwarz-gelbe Landesregierung  die "Schulbezirksgrenzen" in Nordrhein-Westfalen aufgehoben. Nun können Eltern ihre ABC-Schützen problemlos an jeder beliebigen Schule anmelden. Durch diese Wahlmöglichkeit der Eltern befürchten nun Politiker und Eltern die Entstehung von Eliteschulen, in denen Katholiken unter sich bleiben und Kinder von Migranten, Atheisten oder Muslimen keinen Zugang haben. In Bonn sind 22 der 50 Grundschulen in kirchlicher Trägerschaft.

Die Eltern von Fee haben ihre Konsequenzen gezogen und sind nach Lübeck gezogen. "In Bonn hätte ich meinen Halbtagsjob aufgeben müssen, um Fee irgendwo zur Schule zu bringen und abzuholen", zitiert "Spiegel Online" die Mutter von Fee.

Religion als Vorwand für soziale Spaltung?

Dass auf christlichen Schulen bevorzugt Kinder angemeldet werden, deren Eltern eine Erziehung nach christlichen Werten wünschen, erscheint logisch. Politiker und auch Eltern aus Nordrhein-Westfalen äußerten nun aber die Sorge, dass auch andere Eltern künftig bewusst ihr Kind an einer konfessionellen Schule anmelden, da dort kaum Muslime oder Migrantenkinder zu finden seien. Religion werde damit zum Vorwand für eine soziale Spaltung spätestens vom ersten Schultag an, so "Spiegel Online". Deutsche und muslimische Kinder würden von Anfang an selektiert. "Spiegel"-Autor Hermann Horstkotte befürchtet außerdem, dass die Schulwahl künftig durch den Geldbeutel der Eltern bestimmt wird: "Kinder der Besserverdienenden gehen dann etwa zur katholischen Beethoven-Schule im Bonner Villenviertel, für Kinder aus ärmeren Schichten bleiben dann die Schulen, die sowieso bereits in sozialen Brennpunkten liegen."

Religionsfreiheit für alle

Sollen nun aber christliche Schulen ein muslimisches Kind, das nahe der Schule wohnt, aufnehmen, das Kind, dessen Eltern es bewusst in einer christlichen Schule lernen lassen wollen, abweisen? Eine schwierige Frage, auf die es unterschiedliche Antworten gibt.

"Will man der Religionsfreiheit  eines Einzelnen gegenüber der Gruppe immer den Vorrang geben, ist der Betrieb religiöser Einrichtungen praktisch unmöglich", so Klaus Alenfelder,  Präsident der deutschen Gesellschaft für Antidiskriminierungsrecht, gegenüber "Spiegel Online". Zugleich würde dann womöglich auch die Religionsfreiheit bekenntnisangehöriger Schüler beeinträchtigt, die zugunsten anderer Schüler nicht aufgenommen würden.

"Schulen daran messen, wie offen sie für benachteiligte Menschen sind"

Andererseits müssen sich christliche Bekenntnisschulen gerade an den christlichen Werten, für die sie stehen, messen lassen. "Wer unter christlichen Vorzeichen, aus christlicher Motivation Schulen unterhält, steht unter dem Anspruch, sich mit besonderer Aufmerksamkeit jenen Kindern und Jugendlichen zu widmen, die in irgendeiner Weise benachteiligt sind", erklärte Erzbischof Hans-Josef Becker (Paderborn) auf dem Bundeskongress der Katholischen Schulen im November 2008. Unter den Ursachen von Benachteiligung hob der Erzbischof migrationsbedingte Nachteile, Behinderungen und Einkommensarmut hervor. "Unsere Schulen müssen sich daran messen lassen, wie offen und einladend sie gerade auch für junge Menschen aus einkommensarmen Familien wirken", betonte der Erzbischof vor den 250 anwesenden Lehrern.

In Nordrhein-Westfalen sind 1.100 der 3.500 Grundschulen katholisch, nur 100 evangelisch. Diese staatlichen Bekenntnisschulen gibt es nur in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen.

In den anderen Bundesländern haben konfessionelle Schulen den Status von staatlich anerkannten Privatschulen. Ihre Lehr- und Erziehungsziele müssen denen der öffentlichen Schulen entsprechen. Eine private Grundschule wird laut Artikel sieben des Grundgesetzes nur zugelassen, wenn die Schule  entweder konfessionell ist oder ein besonderes pädagogisches Konzept verfolgt.  Montessori- und Waldorf-Schulen sind in Deutschland schon längere Zeit etabliert, die meisten privaten Grundschulen haben kirchliche Träger.

http://www.katholische-schulen.de/index.php?id=80
https://www.pro-medienmagazin.de/paedagogik.html?&news[action]=detail&news[id]=2136
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