Der Deutsche Werberat, das Selbstkontrollorgan der Werbebranche , geht eingereichten Beschwerden nach und prüft deren Sachverhalt. Bei berechtigter Kritik drängt er darauf, dass die Werbung eingestellt oder geändert wird. Die Beanstandungen durch den Werberat hätten sich im Vergleich zum Vorjahr um fast ein Drittel von 30 auf 39 und davon die Anzahl der verhängten Rügen von 3 auf 5 erhöht, teilte das Gremium mit.
Als Ursache für die wachsende Menge umstrittener
Werbung vermutet das Gremium den gestiegenen Leistungsdruck auf den
Märkten. Vor allem kleinere Firmen seien der Ansicht, dass es in der
Werbung hauptsächlich um die Produktion von Aufmerksamkeit gehe. "Das
ist kein Grund, in der Werbung über die Grenzlinie gesellschaftlich
akzeptierter Markt-Kommunikation zu gehen", mahnte ein Sprecher des
Werberates.
Aufsehen schaffe selten Ansehen für Marken und wecke kaum Sympathie für angebotene Waren und Dienstleistung, warnt der Werberat, denn: "Aggressive Werbemethoden wandeln sich häufig zum betriebswirtschaftlichen Bumerang, der Kundenbeziehungen stören oder sogar kappen kann."
Gewalt als Blickfang für Mode und Laptops
Als Beispiele für anstößige Werbung nannte der Werberat den Fall eines Textilienproduzenten. Dieser hatte in Zeitschriftenanzeigen mit dem Bild eines jungen Mannes geworben, der seinen Fuß in den Nacken eines vor ihm auf dem Bauch liegenden älteren Mannes drückte. Nach Intervention des Werberats nahm die Firma die Anzeige aus dem Markt.
Eine Rüge sprach das Gremium an ein Frankfurter Technikunternehmen aus. Dieses warb mit dem Motiv eines blutbespritzten, boxenden Mann mit blutgetränkten bandagierten Fäusten und der Überschrift "Unschlagbar“ für ein Laptop. "Dem Verdacht von Gewaltverherrlichung sollte sich ein Unternehmen nicht aussetzen", so die Begründung des Werberats.
Menschenunwürdig: "24 h open"
Als demütigend und menschenunwürdig rügte der Werberat die Anzeige einer Hotelkette. Auf einer Werbepostkarte zeigte der Hotelbetreiber den Unterleib einer Frau im Bikini, in Höhe des Schambereichs prangte die Aufschrift "24 h open". "Sexy Preise" lautete der Text dazu. Ähnlich bewertete die Beschwerdeinstanz das Plakat einer Baufirma als "sexistische Geschmacksverirrung", die ein Frauengesäß im String und den Text zeigte: "Nicht überall sieht Wasser so attraktiv aus." Auch hier erfolgte eine öffentliche Rüge.
In 108 Fällen wies der Werberat die Beschwerden zurück. So legte ein Verbraucher Beschwerde gegen die Internet-Werbung eines Schaumbad-Produzenten ein. Der fand sein Produkt "höllisch gut" und fragte die Umworbenen: "Heute schon gesündigt?". Der Beschwerdeführer sah in diesen Begriffen religiöse Empfindungen verletzt, was der Werberat mit dem Hinweis auf die Umgangssprache anders einstufte.
Auch die Beschwerde eines Werbekritikers, der die Abbildung von Models in Dessous auf Flächen von Straßenbahnen als "anstößig, aufreizend und Frauen diskriminierend", empfand, lehnte der Werberat ab.
Der deutsche Werberat wurde 1972 gegründet und arbeitet seitdem als Konfliktregler zwischen werbenden Unternehmen und umworbenen Verbrauchern. In der kommerziellen Werbung dürfen Bilder und Texte nicht die Menschenwürde und das allgemeine Anstandsgefühl verletzen. Insbesondere darf Werbung – gerade gegenüber Kindern und Jugendlichen – nicht den Eindruck erwecken, dass bestimmte Personen minderwertig seien oder in Gesellschaft, Beruf und Familie willkürlich behandelt werden können. Verbraucher können über ein Formular Beschwerde gegen Werbekampagnen einlegen, die sie als diskriminierend, gewaltverherrlichend, sexistisch oder die religiösen Gefühle verletzend empfinden.