Debatte um Ost-Christianisierung

 Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) hat am Montag eine Wiederbelebung des Christentums in den neuen Bundesländern gefordert. Damit stößt er auf Kritik aus den eigenen Reihen, von links – und sogar aus der Kirche.

Von PRO

"Wir müssen intensiv besprechen, was 40 Jahre Indoktrination in der DDR bedeuten, wie wir Verwahrlosung und Entbürgerlichung verhindern können und was wir gegen die Entkirchlichung und für die Wiederbelebung des Christentums in Ostdeutschland tun können. Wir haben hier beispielsweise etwa dreimal so viele Jugendweihen wie Konfirmationen", hatte Schönbohm in einem Interview mit der Deutschen Presseagentur (dpa) gesagt. Seine Forderung erregt die Gemüter sowohl im politischen Bereich als auch seitens der Kirche.

"Ideologische Vorgaben von alternden Politikern sind fehl am Platze", sagte Linke-Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch der "Leizpiger Volkszeitung", räumte aber auch Fehler der DDR im Umgang mit der Religion ein. Die Werte, die die Kirche vermittle, sollten stärker als bisher im Mittelpunkt stehen, erklärte er, sagte aber auch, Politik könne darauf kaum Einfluss nehmen. Laut der "Netzeitung" stößt Schönbohm auch in der eigenen Partei auf Kritik: "Ich bin anderer Meinung und habe auch eine andere Wahrnehmung", sagte Brandenburgs CDU-Vorsitzende Johanna Wanka am Dienstag in Potsdam. "Verwahrlosung ist kein Problem, das auf den Osten kapriziert werden kann." Schwere Fälle von Kindesmisshandlung, Vernachlässigung und sogar Tötung habe es in der ganzen Republik gegeben.

Kirche: "Den Glauben nicht verordnen"

Die Zeitung "Tagesspiegel" berichtet gar von Skepsis seitens der Katholischen Kirche gegenüber dem Minister: "Wir können den Menschen den Glauben nicht verordnen", sagte Martina Richter, Sprecherin des Erzbistums Berlin. Auch könne man nicht pauschal von Verwahrlosung in Ostdeutschland sprechen. Dennoch sei die Vermittlung christlicher Werte wichtig. So könne auch radikalen Ideologien vorgebeugt werden.

"Wir sind froh, dass er das Thema aufgegriffen hat", sagte Volker Jastrzembski, Sprecher der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg. Über Jahrzehnte hinweg habe der Staat die Entkirchlichung gefördert. Das habe auch negative Auswirkungen auf die Demokratie. Allerdings sei die Mission Aufgabe der Kirchen, nicht des Staates. "Der Staat muss die Rahmenbedingungen für kirchliches Leben schaffen“, sagte Jastrzembski. Dazu gehöre der Religionsunterricht in der Schule. Die thüringische Grünen-Politikerin und Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, Katrin Göring-Eckardt wandte sich gegen den Vorwurf einer "Entbürgerlichung" der neuen Länder. "Dieses Pauschalurteil ärgert mich", sagte die Bundestagsvizepräsidentin dem "Tagesspiegel". „Denn Moral gibt es auch im nichtchristlichen Umfeld.“ Als Christin wolle Göring-Eckardt die Menschen aber einladen, den Glauben zu entdecken. Dabei wende sie sich aber nicht speziell an die Ostdeutschen.

"Christianisierung kein Allheilmittel"

In der "Sächsischen Zeitung" wandte sich der Theologe Friedrich Schorlemmer gegen die Forderung nach einer Christianisierung: "Ich werbe als Pfarrer dafür, dass Menschen zum Glauben finden und damit zu einem Glücksgefühl, das auch das Glück des anderen im Blick hat. Aber ich halte es nicht für ein Allheilmittel, den Osten jetzt wieder zu christianisieren." Weiter sagte er: "Selbstverständlich bin ich der Meinung, dass der christliche Glaube einen guten Kompass darstellt für ein Gelingen des Lebens und des Miteinanders. Aber ich würde nicht alles, was heute schiefgeht, der DDR aufladen." Auch der sächsische Landesbischof Jochen Bohl sieht in der Entkirchlichung der Gesellschaft nicht allein ein ostdeutsches Problem. "Nicht nur in den neuen Bundesländern wünscht sich die Kirche, dass sich ihr wieder mehr Menschen zuwenden", sagte der Bischof. (PRO)

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