Mit Musik und Videos im Web2.0 auf Jugendfang

Rechtsextreme haben im vergangenen Jahr ihre Aktivitäten im Internet verstärkt. Laut der Organisation Jugendschutz.net hat sich die Zahl der unzulässigen rechtsextremen Beiträge im Jahr 2008 verdoppelt.  
Von PRO

Rund 1.500 Videos, Foren oder Seiten in Sozialen Netzwerken hat
jugendschutz.net im vergangenen Jahr registriert.  Daneben existieren
über 1.700 Internetseiten der rechtsextremen oder autonomen Szene.

Diese
Zahlen mögen angesichts der Informationsfülle des World Wide Web klein
erscheinen, aber:  "Rechtsextreme betreiben ihre Propaganda bewusst an
Orten, an denen sich viele Jugendliche aufhalten: In Chats, Communities
und Diskussionsforen oder Videoplattformen.  Mit einem Video, das bei
Youtube oder einem anderen Portal eingestellt ist, erreicht man viel
mehr Nutzer als über die eigene Internetseite“, erklärt  der Leiter des
Arbeitsbereiches Rechtsextremismus von jugendschutz.net, Stefan
Glaser,  in einem Interview in dem Buch "Generation Online".

Musik und Videos seien das Propaganda-Instrument Nummer eins, so Glaser. Vor allem autonome Nationalisten präsentierten sich auf ihren Websites jugendgerecht in bunten Farben, mit moderner Symbolik und griffigen Slogans. Dabei sei die rechtsextreme Haltung nicht auf den ersten Blick zu erkennen.

Mit der Art und Weise der Angebote treffen die Kameradschaften nach Glasers Ansicht den Nerv vieler Jugendlicher. „In unseren Schulprojekten haben wir die Wirkung getestet und festgestellt, dass die Musik und die Videos, aber auch die Angebote und das gesamte Auftreten der Rechtsextremen den jugendlichen Geschmack trifft.“


Einladung zu Events und Freitzeitaktivitäten

Für Jugendliche ist die Vorgehensweise nicht  auf den ersten Blick durchschaubar. Während bei Youtube ein Musikvideo mit einem kritischen Text einer unbekannten Gruppe abläuft, wird mehrfach die Aufforderung zum Mitmachen eingeblendet "Mach mit. Unterstütze die autonomen Strukturen“ und eine Internetadresse. Diese ist zwar nicht mehr gültig, über den Link zu dem Verantwortlichen, der das Video online gestellt hat, landet der User jedoch auf den Seiten einer autonomen Bewegung. Nach dem Motto: "Wir reden nicht nur, wir tun auch etwas", wird dort zur Teilnahme an Kundgebungen und Events an konkreten Terminen aufgerufen. Unter dem Deckmantel eines Jugendevents werden Jugendliche dann in Bussen zu Demonstrationen und Kundgebungen nach Hamburg oder Leipzig gebracht.

"Sind die Jugendlichen erst einmal dafür gewonnen, dass sie an Ausflügen oder Aktionen teilnehmen, folgt die ideologische Beeinflussung nach und nach. Dann stellt sich beispielsweise heraus, dass soziale Gerechtigkeit nur für ‚deutschstämmige Bürger‘ gefordert  wird", so Glaser.

Das Team von Jugendschutz.net beobachtet seit 2000 den Rechtsextremismus im Internet und geht gegen unzulässige Angebote vor. Durch Kontaktaufnahme  zu in- und ausländischen Providern konnte die Organisation nach eigenen Angaben in 80 von 100 Fällen die Entfernung jugendgefährdender Angebote bewirken. Die Mehrzahl rechtsextremer Seitenbetreiber nutzte 2008 deutsche Dienste, 70 Prozent der ausländischen Angebote wurden aus den USA in Netz gestellt.

Hintergrundwissen vermittelt Sicherheit

Jugendschutz.net bietet auch Seminare oder Projekttage an Schulen an. "Wir wollen das Problembewusstsein wecken. Meist schauen wir uns Beispiele an und analysieren die Inhalte: Wir prüfen Aussagen und analysieren Argumente, sehen uns die verwendete Symbolik an". Unter der Überschrift ‚Nachfragen und Nachschlagen‘ zeigt Glaser den Schülern, wie und wo sie gewisse Angaben überprüfen können. "Wichtig ist mir, ihnen den Mechanismus der Verallgemeinerung klarzumachen – und die Vorgehensweise, erläutert der Pädagoge. "Wichtig ist natürlich auch, dass sie ein gutes Hintergrundwissen über die nationalsozialistische Politik haben. Als letzten Punkt ermutige ich sie dazu, sich zu wehren, Stellung zu beziehen, nicht alles hinzunehmen. Wir überlegen gemeinsam, was sie auf bestimmte Argumente antworten oder ins Gästebuch schreiben könnten."

Jugendschutz.net und die Hessische Landeszentrale für politische Bildung haben die Broschüre "Klickts – geh Nazis nicht ins Netz" veröffentlicht. Diese soll 12- bis 15-Jährige über rechtsextreme Propaganda aufklären. Die Broschüre kann man unter jugendschutz.net herunterladen.

Wo kann man rechtsextreme Inhalte und Seiten melden?


Unter jugendschutz.net oder bei der Internet-beschwerdestelle gibt es Onlineformulare, über die rechtsextremistische, pornografische oder Gewalt verherrlichende Seiten gemeldet werden können. Auch die örtliche Polizeidienststelle nimmt derartige Meldungen entgegen.

Mehr zum Thema lesen Sie in dem Buch der Autorin "Generation Online – Jugendliche und Internet – alles was Erwachsene wissen sollten" (Hänssler Verlag, 2008). Es ist zum Preis von 9,95 Euro erhältlich unter www. wertebibliothek.de

 

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