Urteil: Keine Unterrichtsbefreiung aus religiösen Gründen

Religiöse Überzeugungen der Eltern sind kein Grund für eine Unterrichtsbefreiung. Dies hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschieden und damit die Verfassungsbeschwerde eines Elternpaares aus Ostwestfalen zurückgewiesen. Diese hatten ihren Kindern die Teilnahme an einem Theaterprojekt zum Thema "sexueller Missbrauch" und einer Karnevalsveranstaltung der Grundschule untersagt.
Von PRO

Die Eltern aus Ostwestfalen, die dem baptistischen Glauben angehören, müssen deswegen nun 80 Euro Bußgeld zahlen. Laut Urteil dürfen die Schüler vom Sexualkundeunterricht im Regelfall unter Berufung auf Glaubensüberzeugungen nicht fernbleiben, solange die Schule Neutralität und Toleranz gegenüber den erzieherischen Vorstellungen der Eltern wahrt. Auch sei die Konfrontation mit Traditionen der Mehrheitsgesellschaft wie Fastnacht für religiöse Minderheiten zumutbar, heißt es in dem heute veröffentlichten Beschluss.

"Spannungen durch Schulbesuch zumutbar"

Die Eltern hatten argumentiert, dass die kostenpflichtige Schulveranstaltung mit dem Titel "Mein Körper gehört mir" auf einer "absolut einseitigen emanzipatorischen Sexualerziehung" basiere. Den Kindern werde vermittelt, sie allein dürften über ihre Sexualität bestimmen und sich dabei lediglich auf ihr Gefühl verlassen. Damit würden Gottes Gebote aufgehoben. Auch von der Karnevalsveranstaltung hielt das Paar ihre beiden Jungen unentschuldigt fern, obwohl es während der Feier ein Alternativangebot gegeben hätte.

Wie das Nachrichtenmagazin "Focus" berichtet, hatten die Eltern darauf hingewiesen, dass Fastnacht in ihren Augen ein dezidiert katholisches Fest sei. Das Gericht merkte an, dass die Religionsfreiheit und das Erziehungsrecht den Eltern keine Handhabe gebe, ihren Kindern die Auseinandersetzung damit völlig zu ersparen. "Denn solche mit dem Schulbesuch verbundenen Spannungen zwischen der religiösen Überzeugung einer Minderheit und einer damit in Widerspruch stehenden Tradition einer anders geprägten Mehrheit sind grundsätzlich zumutbar", heißt es in der Entscheidung.

Unterrichtsbefreiungen aus religiösen Gründen enge Grenzen gesetzt

Das Bundesverfassungsgericht hat damit die Schulpflicht gestärkt und Unterrichtsbefreiungen von Schülern aus religiösen Gründen enge Grenzen gesetzt. Danach darf der Staat zwar eigene Erziehungsziele verfolgen, aber keine gezielte Beeinflussung in einer politischen, ideologischen oder weltanschaulichen Richtung betreiben. Schulischer Unterricht dürfe sich nicht mit einem bestimmten Glauben oder einer Weltanschauung identifizieren und dadurch den religiösen Frieden in der Gesellschaft gefährden. Diese Grenzen habe die Schule nicht überschritten. (PRO)

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