„Die Liebe währt ewig“ könnte ein Theaterstück wie jedes andere sein. Seit Wochen wird geprobt, Kostüme werden besorgt und die Texte wieder und wieder geübt. Doch das Stück ist nicht wie jedes andere. Es geht um das Leben des Bruderhaus-Gründers Gustav Werner. Am 12. März dieses Jahres wäre er 200 Jahre alt geworden. Wegen seines diakonischen Engagements wird er auch der „schwäbische Franziskus“ nach dem katholischen Heiligen Franz von Assisi genannt. Und genau deshalb sind die Schauspieler im Stück alles andere als Profis. Sie sind Bewohner und Mitarbeiter des Bruderhauses „am Berg“ in Reutlingen. Die Dokumentation „Viel Theater um die Liebe“ von Andreas Malessa zeigt ihre Theater-Vorbereitungen zu Ehren des 200. Geburtstages von Gustav Werner. Der Film wird am morgigen Dienstag um 23 Uhr im SWR Fernsehen ausgestrahlt.
Bedürftige waren Werner am wichtigsten
In der Dokumentation spielen jene Menschen mit, die auch Gustav Werner Zeit seines Lebens immer am wichtigsten waren: Bedürftige. Die 27-Jährige Nina etwa. Sie hat das Down-Syndrom, lässt sich davon aber nicht abhalten, für das Theaterstück zu büffeln. Genauso wie der Epileptiker Otto oder die geistig und körperlich behinderte Erika, die es sogar geschafft hat, eine Arbeit in einer Fabrik zu finden. Malessas Dokumentation beobachtet, wie diese drei Menschen durch das Theaterspielen gefördert werden und wie sie und ihre Betreuer sich mit der Geschichte der „Bruderhaus“-Sozialeinrichtungen kritisch auseinandersetzen. Der Film zeigt auch: Ohne Gustav Werner hätte es den Mercedes vielleicht niemals gegeben, denn auch Wilhelm Maybach wuchs als Waise in dem Reutlinger Bruderhaus auf. Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelte er die bekannte Automarke. In den 129 Einrichtungen der „Bruderhaus Diakonie/ Haus am Berg“ betreuen 3.500 Mitarbeiter Senioren, behinderte Menschen, sozial schwache Jugendliche und psychisch Kranke in Baden-Württemberg.
Gustav Werner wurde am 12. März 1809 geboren – mitten in die Frühphase der Industrialisierung hinein, die viele Menschen arbeitslos und arm werden ließ. Nach einem Studium der Theologie und einem Aufenthalt in Straßburg als Hauslehrer begann der Protestant ein Vikariat in Reutlingen. Dort beschloss er, etwas gegen die Armut, mit der er Tag für Tag konfrontiert war, zu unternehmen. 1837 begann er seine diakonische Tätigkeit. Er gründete eine Kinderrettungsanstalt für Waisen, eine Kleinkinderschule und eine Industrieschule, wo die Schüler etwa Häkeln oder Stricken lernten. Um das Projekt zu finanzieren, zog er als Prediger durch Deutschland und sammelte Spenden. Fünf Jahre später gründete er das Wohnhaus „Gottes-Hülfe“, wo 80 Kinder und Hilfsbedürftige Platz fanden. 1855 wurde seine Kinderrettungsanstalt in „Bruderhaus“ umbenannt. Der Name sollte auf die brüderliche christliche Nächstenliebe hinweisen, die ihm das oberste Prinzip gewesen zu sein scheint. So soll er gesagt haben: „Wahrer Glaube wird in der Liebe tätig.“ Gustav Werner starb am 2. August 1887. (PRO)