Ab September soll Charlotte Roche zusammen mit Giovanni di Lorenzo durch die Sendung „3 nach 9“ führen. Sie folgt damit Amelie Fried nach, die zum ZDF wechselt. Die in England geborene Roche begann 1998 ihre Fernsehkarriere mit „Fast Forward“ beim Musiksender Viva 2 und moderierte danach unter anderem für Arte, ProSieben und 3sat. Für ihre Moderation erhielt sie 2004 den Adolf Grimme Preis.
2008 landete sie mit ihrem Romandebüt „Feuchtgebiete“ einen Bestseller. Darin macht eine 18-jährige Protagonistin zahlreiche Erfahrungen mit ihrem Körper. Der Roman geht auf provokante Weise mit Ekel und Sexualität um. Laut dem Marktforschungsunternehmen Media Control verkaufte sich das Buch mehr als 1,3 Millionen Mal und stand viele Wochen auf Bestsellerlisten.
Als „erbärmlich“ bezeichnete jetzt die Vorsitzende des Landesausschusses der CDU Bremen, Elisabeth Motschmann, die Wahl Roches zur neuen Moderatorin der Talkshow. Wie die „Tageszeitung“ und „Bild“ berichten, schrieb die Politikerin eine zwei Seiten lange Erklärung an den Programmdirektor von Radio Bremen, Dirk Hansen. Darin schreibt sie unter anderem, dass sie die 31-Jährige nicht für eine Fernsehmoderation geeignet halte.
Motschmann war acht Jahre Staatsrätin beim Bremer Senator für Inneres, Kultur und Sport. Die ehemalige freie Journalistin studierte Theologie, Romanistik und Pädagogik und arbeitete unter anderem für den Axel Springer Verlag und den NDR. Sie ist Mitglied des Kuratoriums der „Stiftung Ja zum Leben“, die sich für die Rechte ungeborener Kinder einsetzt, und ist verheiratet mit einem evangelischen Pastor.
Roches Buch sei „obszön und pervers“
In dem Schreiben, das der „Bild“-Zeitung nach eigener Aussage vorliegt, schreibt die Politikerin über Roche: „Ihr Buch ‚Feuchtgebiete‘ ist von der ersten bis zur letzen Seite obszön, pervers und bedient sich durchgängig einer Fäkalsprache, die Ihresgleichen sucht. Abgesehen davon ist es inhaltlich dünn. (…) Wir dürfen uns über den Werteverfall in unserer Gesellschaft nicht beklagen, wenn so umstrittene und niveaulose Moderatoren ausgewählt werden.“
Die Politikerin sagte weiter gegenüber „Bild“: „Pornorapperin Lady Ray durfte damals wegen ihrer obszönen Texte nicht mehr bei Radio Bremen moderieren. Vor diesem Hintergrund halte ich die Entscheidung für Frau Roche für völlig unverständlich. Ja, sie ist sogar scheinheilig. Der Sender gibt sich immer so seriös. Doch bei einer beliebten Talkshow setzen die Verantwortlichen auf Sex und Skandale.“
„Platz für Individualisten“ bei Radio Bremen
Die stellvertretende Vorsitzende des RB-Rundfunkrates und Grünen-Landesvorsitzende Susan Mittrenga bezeichnete die Kritik Motschmanns laut „Taz“ als „schwierig“. „Der Schluss, Roche könne die Moderation nicht übernehmen, ist übergriffig“, sagte sie. Roche werde als Moderatorin und nicht als Literatin eingestellt.
Bereits bei der Ankündigung des Moderatorinnenwechsels ging Radio-Bremen-Programmdirektor Hansen auf die kontroverse Person Roches ein. Er freue sich, Charlotte Roche für „3 nach 9“ gewonnen zu haben. „Wir pflegen bei Radio Bremen die Tradition, eine Plattform für Individualisten zu bieten. Frau Roche gehört ganz bestimmt dazu! In dem ganzen Trubel um ‚Feuchtgebiete‘ ist ja ein bisschen untergegangen, dass sie eine vorzügliche Moderatorin ist. Charlotte Roche kann sehr gut zuhören, ist eine charmante Gastgeberin und sie verfügt über einen speziellen Humor, der wunderbar zu ‚3 nach 9‘ passt!“
Auch Giovanni di Lorenzo, der im Mai sein 20-jähriges Jubiläum bei der Talkshow feierte, sieht die Wahl von Charlotte Roche positiv: „Man lässt Moderatoren auf die Menschheit los, die noch ein anderes Leben haben als das Fernsehen.“ Gegenüber der „Bild“-Zeitung sagte eine Sprecherin von Radio Bremen: „Mitte August wird es eine Sitzung des Fernseh-Ausschusses geben. Frau Motschmann ist dort stellvertretende Vorsitzende. Bei dieser Sitzung wird es ausreichend Gelegenheit geben, über ‚3 nach 9‘ und Frau Roche zu sprechen.“ (PRO)