„Wie wird sich unsere Heimat in den nächsten Jahren entwickeln?“ lautet die Frage, die sich Forscher aus ganz Europa gestellt haben. Nach jahrelanger Arbeit und Forschung in insgesamt zehn verschiedenen Ländern ist nun das Buch „Youth in Europe III“ erschienen. Während seine Vorgängerbände aus den Jahren 2005 und 2006 sich zum einen mit den Lebensperspektiven junger Menschen und zum anderen mit ihrer Religiosität beschäftigten, verbindet der dritte Teil beide Elemente und zeigt, wie Religiosität das Leben junger Menschen in Europa prägt und prägen wird. Befragt wurden 17- und 18-jährige Besucher weiterführender Schulen mit dem Ziel eines akademischen Abschlusses. Von ihnen nahmen die Forscher am ehesten an, dass sie Europa einmal aktiv prägen werden. Sie kommen aus Deutschland, Großbritannien, Türkei, Polen, den Niederlanden, Schweden, Finnland, Irland, Kroatien und Israel.
Alle Religionen sind gleich
Das neu erschienene Buch zeigt: Ein eindeutig christliches Europa wird es in Zukunft eher nicht geben. Viele der Befragten gaben zwar an, religiös zu sein, distanzierten sich aber von einem klaren christlichen oder muslimischen Konzept. Prägnant, so die Forscher, sei die Vorstellung eines Schöpfers, nicht aber eines christlichen, jüdischen oder muslimischen Gottesbildes. Zwar wurden aufgrund der ausgewählten Länder mehrheitlich christlich geprägte Jugendliche befragt, dennoch erklärte ein Fünftel der Befragten, die angaben, Christen zu sein, sich nicht als religiös einzuschätzen.
Unter den Religionen in Europa erschienen die Christen als äußerst „liberal“. Im Gegensatz zu Muslimen und Juden glauben sie am seltensten, dass ihre heilige Schrift Wort für Wort von Gott stammt. Sie akzeptieren am ehesten eine multireligiöse Gesellschaft und pragmatische Standpunkte und glauben eher, dass alle Religionen im Kern gleich sind. Generell, so heißt es in der Studie, interpretieren sie ihren Glauben „offener“.
Glaube schafft Zuversicht
Unter den Religiösen zeigten sich positivere Erwartungen für die eigene Zukunft als unter den Nichtreligiösen. Erstere planen ihre Zukunft eher und glauben an die Realisierung ihrer Pläne. Sie neigen weniger zur privaten Absicherung, möglicherweise, weil sie die religiöse Gemeinschaft als eine Art „sicheren Hafen“ verstünden. Trotz dieser Zuversicht betrachten Religiöse die Zukunft der Gesellschaft eher kritisch und fürchten sich vor zunehmenden gewaltsamen Konflikten, in die auch sie selbst verwickelt sein könnten. Religion, so folgern die Forscher, sei vor allem eine Quelle der Hoffnung und Selbstsicherheit für das persönliche Leben.
Eltern haben großen Einfluss auf das Glaubensleben ihrer Kinder. Pragmatiker sind eher nicht religiös erzogen. Das geringste Bedürfnis nach religiösen Erfahrungen zeigt sich bei nicht religiös Erzogenen. Künftig könnte Europa also weniger christlich sein als heute. Für die zunehmende religiöse Offenheit der Jugend spricht etwa, dass sich schon jetzt ein Großteil der jungen Menschen einen Religionsunterricht wünscht, der nicht mehr nach Denominationen getrennt ist. Eine Ausnahme ist Israel: Hier wollen junge Menschen eine strikte Unterrichtstrennung.
Fraglich ist auch, inwiefern die religiösen Menschen in Europa künftig überhaupt bereit sein werden, sich am politischen Prozess zu beteiligen. „Youth in Europe“ zeigt auf, dass junge Menschen am unpolitischsten eingestellt sind, wenn sie religiös sind. Doch auch unter den Nichtreligiösen ist das politische Interesse gering. (PRO)