„Cicero“: Warum wir von der Hölle sprechen müssen

Warum "das Absehen von der Hölle" für Christen "unverantwortlich" ist, erklärt der Philosoph Robert Spaemann in der aktuellen Ausgabe des Magazins Cicero. Wer die Verdammnis predige, mache keine Angst, sondern warne vor möglichen Gefahren – eine Tat der Nächstenliebe also.
Von PRO

„Die Theologen haben mit der Hölle aufgeräumt“, heißt es in „Cicero“. Dass das Wort „Hölle“ in der Kirche kaum noch fällt, findet der engagierte Katholik Robert Spaemann unverantwortlich. Die Frohe Botschaft des Evangeliums sei in manchem auch eine Drohbotschaft, sie müsse es sein, weil es unverantwortlich sei, „wenn der Seelsorger die Menschen nicht auf die Gefahr aufmerksam macht“.

Wie der Spaziergang auf einem zugefrorenen See

Spaemann, vergleicht den Hinweis auf die Hölle mit der Warnung einer Mutter, bevor ihr Kind auf einen zugefrorenen See geht. „Nicht in die Mitte, dort ist das Eis dünn“, würde die Frau ihrer Tochter wohl sagen und sie damit auf eine reale Gefahr aufmerksam machen. „Das Absehen von der Hölle bei christlichem Glauben“ bewirkt, so könnte man mit Spaemann sagen, dass das Kind nicht gewarnt wird – und ohne eine Ahnung von der Gefahr in der Mitte des Sees einbricht.

Insofern sei das Christentum keineswegs die „nette Religion“, zu der es gemacht werde. All jenen, die sich fragen, wie Gott die Hölle zulassen kann, antwortet Spaemann: „Die Hölle ist Ausdruck der frei gewählten göttlichen Ohnmacht gegenüber dem Willen der Menschen. Weil Gott sich hinsichtlich seiner Schöpfung zurückgenommen hat, bricht er den Willen des Menschen nicht. Gerade deshalb ist die Hölle als eine Konsequenz, die dem Menschen vor Augen steht, unbedingt ernst zu nehmen.“

Ein gerechter Gott, sagt Spaemann, könne schwerlich zugleich ein barmherziger Gott sein. Die Menschen aber verlangten beides: göttliche Strafe für unmenschliche Verbrechen, aber Gnade, wenn es um Höllenstrafen gehe. In der heutigen Gesellschaft sei der Gedanke gegenwärtig: „Hölle soll schon sein, aber wir bestimmen, wer da hineinkommt.“

Hölle verschwindet aus der Gedankenwelt der Christen

Der Gedanke, dass es eine Hölle gibt, habe ihm nie Angst gemacht, sagt Spaemann. Beschreiben würde er sie so: „Stell dir vor, es ist nichts mehr da, was dich freuen könnte: Nicht Vater und Mutter, keine Freunde, die Sonne, die Blumen, das Spielzeug, du könntest dich nicht einmal auf einen neuen Tag freuen.“

Dass Gott dem Menschen die Freiheit gegeben habe, sich für oder gegen eine solche Ewigkeit zu entscheiden, glaubten heute nicht mehr viele. „Das und die Bemühungen auch bedeutender Theologen, die Hölle als Ort endgültiger, ewiger Strafe aus der Vorstellungswelt des Christen wegzueskamotieren, gehöre zu der Verfallstendenz, die dem gegenwärtigen Zeitgeist eigen ist“, zitiert „Cicero“ Spaemann. (PRO)

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