Die Aufhebung der Exkommunikation für die vier Bischöfe habe „zu einer Auseinandersetzung von einer Heftigkeit geführt, wie wir sie seit langem nicht mehr erlebt haben“, stellt der Papst in dem Schriftstück fest, das er am Dienstag verfasste. Das Kirchenoberhaupt weist von sich, dass es mit dieser Entscheidung das Zweite Vatikanische Konzil habe unterlaufen wollen, das ein Zugehen auf Juden fordert.
Vatikan will Internet als Nachrichtenquelle ernster nehmen
„Eine für mich nicht vorhersehbare Panne bestand darin, dass die Aufhebung der Exkommunikation überlagert wurde von dem Fall Williamson. Der leise Gestus der Barmherzigkeit gegenüber vier gültig, aber nicht rechtmäßig geweihten Bischöfen erschien plötzlich als etwas ganz anderes: als Absage an die christlich-jüdische Versöhnung, als Rücknahme dessen, was das Konzil in dieser Sache zum Weg der Kirche erklärt hat.“ Er bedauere, dass der „Frieden zwischen Christen und Juden wie auch den Frieden in der Kirche“ gestört worden sei.
Der Papst gibt zu, in Sachen Nachrichtenbeschaffung etwas dazulernen zu können: „Ich höre, dass aufmerksames Verfolgen der im Internet zugänglichen Nachrichten es ermöglicht hätte, rechtzeitig von dem Problem Kenntnis zu erhalten. Ich lerne daraus, dass wir beim Heiligen Stuhl auf diese Nachrichtenquelle in Zukunft aufmerksamer achten müssen.“
Papst fordert Rückbesinnung auf Aufgaben der Kirche
Eine „weitere Panne“ sehe er darin, dass die Entscheidung zur Rücknahme der Exkommunikation „nicht klar genug dargestellt“ worden sei. Die Exkommunikation der vier Bischöfe sei damals als „Strafe“ gedacht gewesen, weil sie ohne päpstlichen Auftrag die Bischofsweihe empfangen und damit die Autorität des Papstes in Frage gestellt hätten. 20 Jahre später sei jedoch die Zeit gekommen, die vier Bischöfe erneut „zur Rückkehr einzuladen“ und ihnen Gelegenheit zur Buße zu geben. Papst Benedikt erklärt, dass die vier Bischöfe weiterhin keinen „kanonischen Status“ innerhalb der katholischen Kirche hätten und deshalb auch keine Ämter rechtmäßig ausüben könnten.
Benedikt betont, dass „für den Petrusnachfolger“ erste Priorität der Auftrag Jesu habe: „Du aber stärke deine Brüder“ (Lk 22, 32). „In unserer Zeit, in der der Glaube in weiten Teilen der Welt zu verlöschen droht wie eine Flamme, die keine Nahrung mehr findet, ist die allererste Priorität, Gott gegenwärtig zu machen in dieser Welt und den Menschen den Zugang zu Gott zu öffnen. Nicht zu irgendeinem Gott, sondern zu dem Gott, der am Sinai gesprochen hat; zu dem Gott, dessen Gesicht wir in der Liebe bis zum Ende (Joh 13, 1) – im gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus erkennen.“
Priorität: die Liebe
Das „eigentliche Problem unserer Geschichtsstunde“ sei, „dass Gott aus dem Horizont der Menschen verschwindet und dass mit dem Erlöschen des von Gott kommenden Lichts Orientierungslosigkeit in die Menschheit hereinbricht, deren zerstörerische Wirkungen wir immer mehr zu sehen bekommen“. Die Aufgabe der Kirche sei es, „die Menschen zu Gott, dem in der Bibel sprechenden Gott zu führen“. Dies gelte im Hinblick auf Mt 5, 23f auch, wenn man dem „Bruder“ entgegengehen müsse, „der etwas gegen dich hat“. Auch angesichts der Zwistigkeiten gelte: „Wir müssen immer neu die oberste Priorität lernen müssen: die Liebe.“
Der Papst hatte die Exkommunikation von vier Anhängern des verstorbenen traditionalistischen Erzbischofs Marcel Lefebvre am 21. Januar 2009 – nach 21 Jahren – rückgängig gemacht. Zur selben Zeit strahlte das schwedische Fernsehen in der Sendung „Uppdrag granskning“ („Auftrag Nachforschung“) ein Interview mit dem Bischof Richard Williamson aus, das außerordentliche Folgen hatte. Der Brite behauptet darin, das nicht sechs Millionen Menschen unter der Naziherrschaft umgekommen waren, sondern nur „200.000 bis 300.000 Juden“, und „keiner von ihnen durch eine Gaskammer“. (PRO)