Befürworter des so genannten „Gender-Mainstreaming“ gehen davon aus, dass Unterschiede zwischen den Geschlechterrollen lediglich das Ergebnis gesellschaftlicher Erziehung seien. Sie behaupten, dass jeder Mensch sein soziales Geschlecht sowie seine sexuelle Orientierung beliebig bestimmen könne. Gender Mainstreaming zielt auf die Gleichstellung von Männern und Frauen und fordert, diese zum zentralen Bestandteil bei allen politischen Entscheidungen und Abläufen zu machen. Bereits 1996 hat sich die Europäische Union zur Umsetzung dieser Forderungen verpflichtet, was sich etwa in den beschäftigungspolitischen Leitlinien der EU niederschlägt. Im Jahr 2000 startete auch die Bundesregierung das Programm „Moderner Staat – Moderne Verwaltung“, das „Gender Mainstreaming“ als einen der Leitgedanken aufnahm.
„Kindern soll möglichst früh nahegebracht werden, dass es eigentlich keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern gibt und dass sie ihr Geschlecht beliebig bestimmen können, männlich, weiblich, bisexuell, homosexuell: Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt“, beschreibt Mayer die Ansichten der Anhänger von „Gender-Mainstreaming“. Das habe negative Folgen, insbesondere für Jugendliche: „Wer nicht mehr genau weiß, ob er männlich oder weiblich ist, wird in seiner Identität verunsichert“. Mayer widerspricht Aussagen der Europäischen Union, die soziale Unterschiede zwischen Mann und Frau als „Geschlechterklischees“ bezeichnet. „Doch nur Frauen können Kinder zur Welt bringen, Männer nicht. Sind also ´Mutterrolle` und ´Vaterrolle` künftig Klischees? Sind sie diskriminierend?“ Und weiter: „Jeder Mensch ist Kind einer Frau und eines Mannes – trotz aller Gentechnik!“
„Purer Individualismus“
Dass der Staat sowie die EU die Forderungen des Gender-Mainstreaming unterstützen, führe zudem zu Widersprüchen. „Die Schwulen- und Lesbenverbände behaupten, die geschlechtliche Orientierung eines Menschen sei unveränderlich festgelegt. Wer Veränderungsmöglichkeiten für Homosexuelle nachweist, wird als ´Scharlatan` diffamiert. Gleichzeitig wird aber im Rahmen des Gender-Mainstreaming-Konzepts behauptet, auf geschlechtlichem Gebiet sei niemand festgelegt, jeder Mensch könne seine sexuelle Orientierung nach individuellen Wünschen aussuchen, frei gestalten und verändern.“
Nicht zuletzt kritisiert er, dass „Gender-Mainstreaming“ ausschließlich die Bedürfnisse des Einzelnen im Blick habe, die der Gemeinschaft dagegen nicht: „Im Blick auf männlich und weiblich wird purer Individualismus, ja mehr noch: eine Steigerung davon, reiner Solipsismus, propagiert, absolute Selbstbezogenheit der Einzelperson.“ Solipsismus ist ein Begriff, bei dem nur das eigene „Ich“ Zentrum des Denkens ist. Mayer sieht hierin eine Gefährdung für die menschliche Gemeinschaft. Denn diese beruhe „auf der Elternschaft als dem Ursprung aller Sozietät, und diese wiederum beruht auf dem geschlechtlichen Unterschied zwischen Mann und Frau.“
„Umkehr von diesem Irrweg nötig“
Am Ende des Aufsatzes fordert er eine „Umkehr von diesem Irrweg“ und eine Rückkehr zum biblischen Gerechtigkeitsverständnis. Mayer erinnert an die Zehn Gebote des Alten Testaments sowie die Aussagen Jesu in der Bergpredigt. „Die Frage lautet dann nicht mehr nur: ´Welche Forderungen kann ich stellen, damit die Anderen mir gerecht werden?`, sondern auch: ´Was kann ich tun, um die Gemeinschaft zu fördern, ihr zu dienen, ihr gerecht zu werden?`“
Rainer Mayer war bis 2006 Professor für Systematische Theologie und Religionspädagogik an der Universität Mannheim. Der Aufsatz ist in der neuesten Ausgabe von „Evangelische Verantwortung“, dem Magazin des Evangelischen Arbeitskreises der CDU, erschienen. (PRO)