Kirchliche Fachstelle: „Fundamentalisten“ in den Kirchen

Die Fachstelle "Medien und Kommunikation" der evangelischen und katholischen Kirche in München befasst sich in einer jetzt erschienenen Publikation mit dem "Fundamentalismus". Darin geht es überwiegend um "christliche Fundamentalisten" – und deren Einfluss in den Kirchen, der bis zur Übertragung von freikirchlichen Gottesdiensten reiche.
Von PRO

„Spätestens seit den Anschlägen islamischer Terroristen auf das World Trade Center mit Verkehrsflugzeugen am 11. September 2001 ist der Fundamentalismus in allen seinen Spielarten als Problem für die gesamte Welt offensichtlich geworden“, schildert Gottfried Posch, Mitarbeiter der Fachstelle „Medien und Kommunikation“ der evangelischen und katholischen Kirche in München, in seinem „Überblick“ über „Fundamentalismus“. Posch führt zahlreiche Beispiele an, wie sich seiner Ansicht nach Menschen in fundamentalistischem Gedankengut verlieren können. Angefangen von Sarah Palin, „eine dem rechten Glaubensspektrum zugehörige Frau“, die an der Seite von John McCain ins Weiße Haus einziehen wollte, über George W. Bush bis hin zum Sohn des Evangelisten Billy Graham, Franklin: Sie alle sind Fundamentalisten, die für den Bau von Gas-Pipelines beten (Palin), einen „Kreuzzug“ ausrufen (Bush) oder „apokalyptische Visionen“ verbreiten (Graham).

Auch Fundamentalisten unter Muslimen werden beschrieben, ebenso wie unter Hindus oder Juden. Letztere, die „radikale Siedlerbewegung“, wollten einen israelischen Gottesstaat einführen und drohten, „den Messias herbeizubomben“.

Kritik an Gottesdienstübertragungen aus Freikirchen

Scharfe Kritik übt Posch in seinem Beitrag etwa an der Deutschen Evangelischen Allianz. Den Zusammenschluss überwiegend evangelikaler Christen, die sich in Landeskirche und Freikirchen engagieren, nennt er als Beispiel für einen christlichen Fundamentalismus in der Evangelischen Kirche (EKD). Posch warnt: „Die Evangelische Kirche hat diesen Gruppen inzwischen in den Gottesdienstübertragungen des ZDF einen Platz eingeräumt.“ Am 18. Mai vergangenen Jahres sei ein Sonntagsgottesdienst aus dem Christus-Zentrum Tosted bei Hamburg gesendet worden, am 7. Dezember ein Gottesdienst aus der Freien evangelischen Gemeinde in Witten.

EKD-Medienbeauftragter Markus Bräuer: Nicht alle Fundamentalisten

Gegenüber pro wandte sich der Medienbeauftragte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Oberkirchenrat Markus Bräuer, in weiten Teilen gegen die Darstellung der Fachstelle „Medien und Kommunikation“. „Zwischen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) besteht seit vielen Jahren mit dem ZDF die Vereinbarung, dass zwei bis drei Gottesdienste pro Jahr aus dem Bereich der ‚Vereinigung Evangelischer Freikirchen‘ (VEF) übertragen werden. Die Freikirchen bilden die Weite evangelischer Frömmigkeit in eigener Weise ab. Bisher wurden diese Gottesdienste zumeist aus baptistischen, methodistischen oder freien evangelischen Gemeinden übertragen“, so Bräuer gegenüber pro. „Der Gottesdienst am 18. Mai 2008 kam aus einer Gemeinde, die zum ‚Bund freikirchlicher Pfingstgemeinden‘ gehört. Der in dem sehr lebendigen Gottesdienst vermittelte Eindruck, dass es eine Verbindung zwischen Glaubensstärke und dem heilenden Handeln Gottes geben könnte, hat auch in der EKD zu einer distanzierten Haltung gegenüber dieser Aussage geführt. Grundsätzlich gilt aber im Blick auf die Freikirchen: Auf dem Fundament der Bibel zu stehen, ist nicht mit einem Fundamentalismus gleichzusetzen, der keine Toleranz gegenüber anderen Frömmigkeitsformen aufbringt oder gar sich auf nicht friedliche Weise vermitteln will.“

Mixa in der „Welt des Fundamentalismus“

In seiner Publikation nennt Posch zudem etwa die „Annahme einer in baldiger Zukunft bevorstehenden Weltwende, etwa durch die buchstäblich vorgestellte Wiederkunft Christi“ oder „eine grundsätzliche Ablehnung der Ökumene“ als typische Merkmale der christlichen Fundamentalisten. Mehr noch lehnten christliche Fundamentalisten „moderne wissenschaftliche Konzepte wie die Evolutionstheorie von Charles Darwin ab, da sie der wörtlich ausgelegten Schöpfungsgeschichte der Bibel widerspreche“.

So habe etwa der Augsburger Bischof Walter Mixa mit kritischen Äußerungen zur Evolutionstheorie „fragwürdige Akzente“ gesetzt, wie Autor Posch schreibt. „Seiner Ansicht nach sei in den Schulen bisher eine ‚Fixierung aus die Evolutionstheorie‘ üblich. Sich auf eine einzige Erklärung festzulegen, habe etwas Totalitäres und sei auch und gerade aus der Sicht der Wissenschaft unvernünftig. Es gebe keinen Absolutheitsanspruch der Evolutionstheorie. Nach christlicher Überlieferung sei der Mensch ein von Gott gewolltes und geliebtes Wesen. Das ist ein existentieller Unterschied zu der Auffassung, er sei bloß ein Glied in einer zufällig ablaufenden biologischen Kettenreaktion“, wird Mixa als katholischer Vertreter „aus der Welt des Fundamentalismus“ zitiert.

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