Justin Barrett ist Psychologe vom „Centre for Anthropology and Mind“ an der Universität Oxford. Er fasste rund zehn Jahre wissenschaftlicher Forschung in einem BBC-Radiointerview so zusammen: „Es braucht weit mehr, um die natürliche Entwicklung des Geistes eines Kindes zu beeinflussen, als wir bisher glaubten, einschließlich der Prädisposition, die natürliche Welt als sinnvoll erschaffen zu sehen ebenso wie die Ansicht, dass hinter diesem Sinn eine Art intelligentes Wesen steckt.“
Soll heißen: Kinder sind offenbar dazu bestimmt, an einen Schöpfer zu glauben. Die Idee einer Evolution, einer zufälligen Entstehung allen Lebens aus dem Nichts, widerspricht hingegen der natürlichen Anlage des Menschen. Als Wissenschaftler sechs- und siebenjährige Kinder fragten, warum es ihrer Meinung nach den ersten Vogel gab, antworteten sie: „Weil er schöne Musik macht“ und „weil er die Welt schöner aussehen lässt“.
Kinder haben, so der britische Wissenschaftler, einen Glauben an ein höheres Wesen, selbst wenn ihnen niemand davon erzählt hat. Barrett hält es für wahrscheinlich, dass Kinder natürlicherweise eher an Kreationismus als an die Evolution glauben würden, unabhängig davon, was Eltern oder Lehrer ihnen beigebracht haben. Selbst in Kulturen, in denen religiöse Weltanschauungen unterdrückt werden, entwickeln Kinder einen Glauben an Gott, haben Anthropologen herausgefunden. „Wenn man einige Kinder auf einer Insel aussetzen würde, wo sie alleine aufwüchsen, würden sie an Gott glauben. Im Gegensatz dazu ist Evolution unnatürlich für den menschlichen Verstand“, sagt Barrett laut einem Bericht der britischen Tageszeitung „Daily Telegraph“ (ebenso: „Times„). Auch die amerikanische Psychologin Deborah Kelemen kommt zu dem Schluss: Kinder sind „intuitive Theisten“, geborene Gläubige.
„Glauben ist so alt wie die Menschheit“
Ein intelligenter Mensch könne eigentlich nicht an Gott glauben – diese Meinung versuchen Atheisten dieser Tage vehement zu verbreiten. Dann wären allerdings die meisten Menschen auf dieser Erde in ihren Augen eher dumm. Denn Umfragen ergeben immer wieder, dass über die Hälfte der Deutschen an Gott oder ein höheres Wesen glaubt, in den USA sind es sogar bis zu 84 Prozent, für die Religion im Leben eine wichtige Rolle spielt.
Sind Gläubige dumm? Der Begründer der Quantenphysik, der deutsche Physiker Max Planck war ein gläubiger Mensch – und zugleich einer der bedeutendsten Naturwissenschaftler der Geschichte. Der Soziobiologe Eckart Voland von der Uni Gießen wundert sich laut einem Bericht in der aktuellen Ausgabe des „Tagesspiegels“: „Wie kann dieses großartige Gehirn, das so viel geleistet hat, gleichzeitig an Gott glauben?“
Wenn selbst so intelligente Menschen wie Planck an Gott glauben, muss die Begründung dafür tiefer in der Psyche des Menschen liegen, dämmert immer mehr Wissenschaftlern, die nicht – wie etwa der radikale britische Atheist und Evolutionsbiologe Richard Dawkins – im Glauben eine Art Geisteskrankheit sehen wollen. „Soweit man weiß, hat es keine Gesellschaft geschafft, ganz ohne Religion auszukommen“, stellt Voland fest. „Glauben ist so alt wie der Mensch.“
Evolution spricht gegen Atheisten
Nun versuchen Evolutionstheoretiker, den Glauben in ihr Bild einzupassen. Evolution und Religiosität erscheinen zunächst unlogisch. Denn warum sollten sich Menschen mit regelmäßigen Gemeinschaftsveranstaltungen oder Riten beschäftigen, während sie in der gleichen Zeit arbeiten oder sich fortpflanzen könnten?
Wie der „Tagesspiegel“ berichtet, geht der Biologe Voland davon aus, dass Religion die Ehrlichkeit in einer sozialen Gruppe erhöhe. Wer als Außenstehender am Initiationsritus einer Gruppe teilnehme, demonstriere damit, dass er bereit ist, viel zu „bezahlen“, um angenommen zu werden. Seine „Religiosität“ solle demnach zeigen, dass er es ernst meint mit dem Wunsch, dazuzugehören.
Aber der Glaube verlängert offenbar auch das Leben, zeigen Studien. Die Forscher Richard Sosis und Eric Bressler etwa haben 83 US-amerikanische Gründergemeinschaften des 19. Jahrhunderts untersucht. Ihr Fazit: Gemeinschaften mit religiösem Fundament überlebten im Durchschnitt länger. Religiosität könne helfen, soziale Kooperation zu festigen. Gläubige Menschen genesen schneller von Krankheiten und können Schicksalsschläge besser verkraften als gottlose Menschen.
Für den Philosophen Gerhard Schurz von der Universität Düsseldorf hat religiöser Glaube laut der Tageszeitung schlicht „einen massiven Placebo-Effekt“. So wie jemand erfolgreich eine nutzlose Pille gegen einen Schmerz schluckt, weil er nur fest genug an deren Wirkung glaubt, so helfe auch das Vorgaukeln eines Glaubens.
Der „Tagesspiegel“ berichtet weiter von Psychologieprofessor Eckart Straube, der ebenfalls von der Wirkung des Placebo-Effektes anstelle eines tatsächlichen Gottes überzeugt ist. Bei so vielen guten evolutionären Argumenten für die Religiosität stellt sich ihm die umgekehrte Frage: „Es spricht eigentlich alles dafür, dass wir Religion oder Glauben brauchen. Ich glaube, die schwierigste Frage ist: Warum sind Menschen heute Atheisten?“ (PRO)