Seit Beginn dieses Jahres sind immer wieder Videobotschaften im Internet aufgetaucht, in denen radikale Islamisten mit Terroranschlägen gegen Deutschland drohen. Das letzte entstand, so glauben Experten, während der israelischen Militäroffensive in Gaza. „Seit über zehn Tagen schaut die Welt zu, wie im Gazastreifen die Muslime massakriert werden. Wo sind die USA? Wo bleibt Frau Merkel und ihr Kabinett?“ heißt es in dem rund 26-minütigen Band laut ARD-Angaben. Und: „Der Verbündete der Besatzungsmächte muss immer mit unseren Angriffen rechnen.“
Es blieb nicht bei dieser Drohung: Vor zwei Wochen war eine andere Videobotschaft aufgetaucht. In dieser äußert ein Mann, der sich selbst „Abu Talha, der Deutsche“ nennt, konkrete Drohungen gegen Deutschland: „Sollten die Deutschen glauben, dass sie ungeschoren davonkommen, dann sind deutsche Politiker leider fehl am Platz.“ Und weiter: „Unsere Atombombe ist die Autobombe. Jeder Muslim kann eine sein, und wenn er heute keine ist, kann er morgen eine sein.“
Erstes deutschsprachiges Al-Qaida-Video aufgetaucht
Bei Abu Talha handelt es sich Medienberichten zufolge um den gebürtigen Marokkaner Harrach, der lange Zeit in Bonn gelebt und mehrere Semester Lasertechnik und Wirtschaftsmathematik an der Fachhochschule in Koblenz studiert hatte. Innenstaatssekretär August Hanning sagte gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS), Harrach sei „ein wichtiger Mann von Al-Qaida, der Zugang zur Führung der Terrororganisation hat“ und verriet, was diese Botschaft so gefährlich mache: Das Video sei das erste deutschsprachige, das vom Terrornetzwerk Al-Qaida produziert wurde.
Das häufige Auftauchen der Videos bereitet deutschen Sicherheitsbehörden große Sorgen. Heinz Fromm, Präsident des Verfassungsschutzes, sagte gegenüber dem Magazin „Focus“: „Im Kern belegen die Aussagen, dass Anschläge gegen unser Land vorbereitet werden.“ Dieser Einschätzung stimmte auch Hartwig Möller, Leiter des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes, zu: „Wir werden jetzt nicht mehr unter ferner liefen genannt, sondern stehen in einer Reihe mit Ländern wie Amerika oder Großbritannien“, sagte er der FAS.
Bundestagswahl im Blickpunkt der Terroristen?
Doch warum tauchen diese Drohungen ausgerechnet jetzt auf? Eine mögliche Erklärung für den Zeitpunkt sehen Experten in der Bundestagswahl im kommenden Herbst. Diese wird in Harrachs Video konkret angesprochen. Das weckt Erinnerungen an die verheerenden Bombenanschläge in Madrid. Vor fast fünf Jahren, am 11. März 2003, verübten islamistische Terroristen in Spanien Bombenanschläge auf Pendlerzüge. Damals wurden 191 Menschen getötet. Der Zeitpunkt für den Anschlag war bewusst gewählt, denn nur wenige Tage später fanden die Wahlen zur spanischen Regierung statt. Bei diesen verzeichneten die Sozialisten hohe Gewinne und zogen, nachdem sie die Regierung um José María Aznar abgelöst hatten, die spanischen Truppen aus Afghanistan ab. Das hatten die Terroristen wohl geplant – und rechnen sich einen ähnlichen Erfolg in Deutschland aus.
„Al-Qaida hat uns heute im Zielspektrum, mehr als die USA und Großbritannien, weil es Ansatzpunkte gibt, die Debatte über den Afghanistan-Einsatz in Deutschland zu beeinflussen“, so der Terrorismus-Experte Guido Steinberg gegenüber der FAS. (Pro)