Gysi als Redner zum Buß- und Bettag erregt Protest

Das Pädagogisch-Theologische Institut (PTI) im Harz sieht sich als Fortbildungsstätte im Bereich der Religions- und Gemeindepädagogik. Wo normalerweise Theologen und Pädagogen referieren, ist für Mitte November der ehemalige SED-Vorsitzende Gregor Gysi eingeladen. Dass ein Angehöriger der SED-Nachfolgepartei zu einem christlichen Thema sprechen soll, hat heftigen Protest erregt.
Von PRO

Das Thema, zu dem Gysi am 20. November in Kloster Drübeck sprechen soll, lautet „Buß- und Bettag: Wie gerecht ist unsere Gesellschaft?“ Das Pädagogisch-Theologische Institut, das den SED-Politiker eingeladen hat, gehört zur Föderation Evangelischer Kirchen in Mitteldeutschland und der Evangelischen Landeskirche Anhalts und existiert seit 2005.

„Der Buß- und Bettag war in der Evangelischen Kirche seit jeher Anlass zu klaren Worten“, heißt es zum Seminar. „So wollen wir es auch in dieser Fortbildung halten: Als Vertreter der ‚Linken‘ wird Gregor Gysi Ungerechtigkeiten in der bundesdeutschen Gesellschaft anklagen und alternative Handlungs- und Politikmöglichkeiten diskutieren.“

Der geplante Auftritt des „umstrittenen Politikers“ bringe die Evangelische Kirche in Sachsen-Anhalt in Erklärungsnot, klagte der Evangelische Arbeitskreis der CDU (EAK). Der EAK-Kreisvorsitzende in Sachsen-Anhalt, der ehemalige Landtags- und Europaabgeordnete Karsten Knolle, protestierte gegen eine „linkslastige und einseitige Veranstaltung“. Er forderte das PTI auf, die Veranstaltung abzusagen und erklärte: „Die Kirche in Sachsen Anhalt kann es sich nicht leisten, durch Auftritte des linken Propagandisten Gregor Gysi in ihren Einrichtungen, in Verruf zu geraten.“

„Was hat Gysi zum Thema Gerechtigkeit zu sagen?“

Der Vorsitzende des Evangelischen Arbeitskreises der CDU in Sachsen-Anhalt und Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Jürgen Scharf, schrieb in einem Protestbrief an die Evangelische Wochenzeitung „Die Kirche“: „Ist es wirklich eine gute Idee oder eine Effekthascherei, die die Glaubwürdigkeit des PTI untergräbt, Gregor Gysi zu einem Bußtagsgespräch in das PTI einzuladen? Was hat Gregor Gysi zum Thema ‚Wie gerecht ist unsere Gesellschaft‘ der Kirche zu sagen? Will er Buße tun über seine Rolle zu DDR-Zeiten, die der Immunitätsausschuss des Deutschen Bundestages und die Forschung der jüngeren Zeitgeschichte zumindest teilweise aufgehellt haben? Oder erwartet das PTI tatsächlich, dass gerade er Leitbilder für eine gerechte Gesellschaft entwickeln kann und wird? Was kann er, dem die Evangelische Kirche nun wirklich bisher nichts zu verdanken hat, Religionslehrerinnen und Lehrern und kirchlichen Schulbeauftragten mit auf den Weg geben?“

In einem anderen Leserbrief an „Die Kirche“ heißt es: „Es entsetzt mich zu erfahren, dass eine kirchliche Einrichtung in Mitteldeutschland für eine Fortbildung von Lehrern zu einem so wichtigen Thema wie ‚gesellschaftliche Gerechtigkeit‘ ausgerechnet einen Vertreter der SED-Nachfolgepartei als Referenten eingeladen hat. Dr. Gysi war 20 Jahre lang Mitglied der SED, die in der ehemaligen DDR systematisch Christen verfolgt und schikaniert hat.“

„Der Sozialismus ist gescheitert. Was sagt Gysi dazu?“

PTI-Direktor und Kursleiter Matthias Hahn ist überrascht von der Kritik, die ihn auch persönlich in Briefen und E-Mails erreichte. „Doch die Menschen kennen leider den Kontext der Veranstaltung nicht“, so Hahn. „Im Kloster Drübeck findet jedes Jahr ein politisches Bußtagsgespräch statt. Dort stellen sozialpolitisch Relevante sozialethische Positionen vor. Das war im letzten Jahr der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, der zum Thema ’soziale Demokratie‘ sprach, in diesem Jahr ist es Gregor Gysi, und im nächsten Jahr wollen wir einen sozialpolitischen Sprecher der CDU einladen.“

Die Veranstaltung werde stets einen Tag nach dem Bußtag durchgeführt, „da hier dann das Ende der Friedensdekade ist und der Kirchenkreis große ökumenische Veranstaltungen durchführt“. Hahn fügt hinzu: „Ich kenne Gysi persönlich nicht, hatte aber Kontakt mit dem Stasi-Beauftragten von Sachsen-Anhalt. Es war uns wichtig, Politiker mit einer ostdeutschen Vergangenheit zu finden.“

Bereits im Vorgespräch habe Hahn mit Gysi abgeklärt, dass bei der Veranstaltung zuallererst die Geschichte angesprochen werde. Danach hätten die Gäste anderthalb Stunden lang die Möglichkeit, ein Gespräch zu führen. Hahn fügt hinzu: „Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass viele Menschen, die in der DDR groß geworden sind – besonders Christen -, große Verletzung haben, die Gysi dann wieder aufreißt. Das tut mir auch weh und leid. Aber die Frage ist auch: Was erträgt der demokratische Diskurs? Die Mehrheit der Gäste des Seminars wird die Meinung Gysis ohnehin nicht teilen. Aber man muss doch ins Gespräch kommen und kann die Linke nicht einfach ausblenden. Ich will, dass er sagt: ‚der Sozialismus ist gescheitert‘ und will hören, was er dazu sagt.“ (PRO)

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