„Thesen können ihre Kraft erst dann wirklich entfalten, wenn sie in die Öffentlichkeit gelangen“, heißt es in dem Werbespot in Anspielung auf Martin Luthers Thesenanschlag. Zu sehen ist der Reformator, wie er einen Zettel an eine Kirchentür nagelt. An einer anderen Stelle wird ein Papierstapel von einer Empore geworfen, während eine Stimme sagt: „Kritik kann erst dann etwas verändern, wenn sie viele Menschen erreicht.“ Die Szene erinnert stark an die Flugblattaktionen der Geschwister Scholl. In dem Fernseh-Spot missbrauchten die beiden Sender Momente und Persönlichkeiten der deutschen Geschichte, wie etwa die Widerstandskämpfer Sophie und Hans Scholl, Kirchenreformator Martin Luther und die Leipziger Montagsdemonstrationen für ihre Online-Aktivitäten, so der Vorwurf.
Der Grund für die Werbekampagne von ARD und ZDF ist die Änderung des Rundfunkstaatsvertrags. Sollten Ende Oktober die Ministerpräsidenten den Rundfunkstaatsvertrag unterzeichnen, dürfen die beiden Sender auf ihren Online-Portalen nur Wort- und Bildveröffentlichungen machen, wenn es zu der jeweiligen Thematik auch einen Hörfunk- oder Fernsehbeitrag gegeben hat. Mit dem TV-Spot wollen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nun auf die drohende Begrenzung ihres Angebots durch den Rundfunkvertrag aufmerksam machen.
„Gebührenfinanzierte Volksverdummung“
Die Privatsender wie auch Medienpolitiker hatten die Werbekampagne heftig kritisiert, berichtet die Nachrichtenagentur ddp. Der nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete Marc Jan Eumann (SPD) warf den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vor, „weit über das Ziel“ hinausgeschossen zu sein. Vor allem der Vergleich zwischen den Flugblattaktionen der Weißen Rose und dem Senderprotest gegen eine eingeschränkte Online-Präsenz stieß auf scharfe Kritik. Der Verband Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) bezeichnete dies in einer Stellungnahme als eine „gebührenfinanzierte Volksverdummung“.
Der Sprecher der ARD, Christian Bauer, wies die Kritik ab. Die öffentlich-rechtlichen Sender sähen sich „nicht in einer Traditionslinie“ mit dem Kirchenreformator, sagte er gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Die ARD und das ZDF kämen nur ihrem breiten Informationsangebot zur Meinungsbildung nach. In dem Spot seien nur die dafür typischen Stilmittel verwendet worden. (PRO)