pro: In welchem familiären Umfeld seid ihr aufgewachsen? Jyoti: Unser Vater stammt aus Indien, unsere Mutter aus England. Wir sind in England geboren und haben dort gewohnt, bis wir sieben Jahre alt waren. Dann zogen wir in die Schweiz und wohnen dort seit zwölf Jahren. Also haben wir einen recht vielseitigen kulturellen Hintergrund mit England, der Schweiz und Indien.
pro: Stimmt es, dass ihr mit drei Jahren schon schreiben konntet? Suresh: Das wissen wir nicht so genau. Aber wir konnten schreiben, bevor wir mit der Schule angefangen haben – und das war mit vier Jahren. Vielleicht konnten wir nicht gerade einen „Herr der Ringe“-Roman schreiben, aber zumindest ein bisschen hatten wir das Schreiben im Griff.
pro: Wollt ihr jetzt euer Leben lang Schriftsteller sein? Jyoti: Ich bin jetzt schon seit vier Jahren vollzeitlich Schriftsteller und es gefällt mir ziemlich gut. Ich kann es mir gut vorstellen, solange ich das darf. Das ist ja auch etwas sehr Schönes – ich bin sehr dankbar, dass ich diese Möglichkeit habe. Aber ich denke, wir werden auch andere Projekte machen, sei das in Filmen oder Musik. Wir werden auf jeden Fall weiter Bücher schreiben. Suresh: Bei mir ist es ein wenig anders, da ich im Oktober auf eine Universität nach England gehe und dort drei Jahre lang Naturwissenschaft studieren werde.
pro: Welche Sprache redet ihr untereinander und welche Sprache redet ihr mit euren Eltern? Suresh: In der Familie wird grundsätzlich Englisch gesprochen, denn das ist unsere Muttersprache. Wir zwei aber haben eine Art „Geheimsprache“. Untereinander reden wir eine sehr komische Mischung aus Englisch, Schweizerdeutsch und auch einige Worte Hindi, je nachdem, welches Wort uns zuerst in den Sinn kommt. Für diejenigen, die uns zuhören, ist das immer lustig, denn sie verstehen beispielsweise die ersten Worte eines Satzes, aber den Rest nicht.
pro: Wie sieht ein typischer Arbeitstag von euch aus? Suresh: Wir arbeiten praktisch den ganzen Tag durch, legen ab und zu eine kurze Pause ein, um etwas Essbares zu holen, und arbeiten dann weiter – oft sogar während des Essens. Das heißt aber nicht, dass wir immer am Schreiben sind. E-Mails von Lektoren, Publizisten, Journalisten oder unserem Agenten müssen beantwortet werden. Und die Handlung muss auch geplant werden, Lesungen kommen hinzu. Wenn uns nichts „ablenkt“, schreiben wir bis zu zehn Stunden oder noch länger, wenn die Worte gerade gut fließen. Es ist auch schon vorgekommen, dass wir die ganze Nacht durchgearbeitet haben.
pro: Wie kommt ihr miteinander klar? Privates und Berufliches dürfte wohl schwer zu trennen sein, oder? Jyoti: Beim Schreiben gibt es kaum Streit, dafür sonst überall (lacht). Im Ernst: Wir kommen allgemein sehr gut miteinander aus. Klar, wir gehen einander auf die Nerven, aber das ist ganz normal, wie bei anderen auch. Beim Buch sorgen wir dafür, dass wir über unsere Meinungsverschiedenheiten diskutieren, bis wir eine weitere Lösung haben.
pro: Ihr seid die jüngsten Bestsellerautoren und seid engagierte Christen… Jyoti: Ja, wir glauben an die Bibel als Gottes Wort und glauben das, was in der Bibel steht: Dass Jesus Gott war und ist, auf diese Welt gekommen ist, und für uns als Erlöser gestorben ist.
pro: Wie bringt ihr euren Glauben in der Öffentlichkeit und im Alltag zum Ausdruck? Suresh: Im Alltag versuche ich, mein Leben möglichst vorbildhaft nach Jesus auszurichten und so zu leben, dass die Menschen sagen: „Der hat etwas, das ich nicht habe. Ich merke, dass bei mir etwas fehlt, aber er hat das irgendwie. Er hat das gefunden.“ Ich versuche, als Beispiel zu leben, indem ich mich nach Jesus ausrichte.
pro: Bringt ihr euren Glauben auch in eure Bücher ein? Gibt es bei „Calaspia – Die Verschwörung“ auch christliche Aspekte? Jyoti: C.S. Lewis zum Beispiel hat viel mit Allegorie gearbeitet, etwa in der Geschichte von Aslan und dem steinernen Tisch. Bei uns gibt es diese enge Allegorie nicht, aber es gibt durchaus den Symbolismus, der auf allgemeine Situationen und nicht spezifisch anwendbar ist. Beispielsweise gibt es eine Kirche, die nicht unbedingt die katholische oder die lutherische Kirche sein muss. Im ersten Buch geht es um Leute, die versuchen, das Richtige zu tun. Aber sie richten ziemlich viel Schaden an. Sie haben eine gute Motivation, aber es kommt Schlechtes dabei heraus…
pro: …wovon es in der Bibel einige Beispiele gibt. Habt ihr euch von diesen Geschichten inspirieren lassen? Jyoti: Weniger von einzelnen Geschichten als vielmehr davon, wofür die Bibel steht – also die Lektionen, die man daraus lernt. Der christliche Glaube ist eine Weltanschauung, von der wir geprägt sind und die auch in unseren Roman eingeflossen ist. Das ist häufig wahrscheinlich auch nicht bewusst passiert. Uns ist es wichtig, dass wir nicht predigen, sondern zuerst einmal die Fragen aufwerfen, die Leser beschäftigen. Sie sollen sich fragen: „Wie würde ich darauf antworten?“ Wir finden es sehr wichtig, in einem Dialog auch Glaubensfragen anzusprechen.
pro: Wie seid ihr eigentlich darauf gekommen, das Buch zu schreiben? Suresh: Wir wollten zum einen Geschichten, die wir einander erzählt haben, auch aufschreiben. Unsere Eltern und Freunde wollten wir an unseren Erzählungen teilhaben lassen. Lange haben wir keine dieser Geschichten zu Ende geschrieben, es blieb oft bei ein paar Seiten, einem guten Anfangssatz oder einer Szene. Mit elf Jahren haben wir uns dann aber das Ziel gesetzt, eine ganze Geschichte, ein ganzes Buch zu schreiben und uns eine enorme Herausforderung geschaffen.
pro: Mit welchen Büchern ist „Calaspia“ am ehesten vergleichbar? Suresh (überlegt): Ich kann jetzt kein spezifisches Buch nennen, mehr das High-Fantasy-Genre im Allgemeinen, wie es von J.R.R. Tolkien geprägt wurde. Sein „Herr der Ringe“ gehört zur HighFantasy. Das High-Fantasy-Genre benutzt nicht nur Geschichten und Elemente von Fantasy, die schon tausendmal benutzt wurden. High-Fantasy-Literatur versucht, etwas Neues zu schaffen und die Realität auch durch die Vorstellungskraft von Fantasy widerzuspiegeln.
pro: Wie würdet ihr ein zwölfjähriges Kind dafür begeistern, euer erstes „Calaspia“-Buch zu lesen? Suresh: Zuerst würde ich fragen, ob sie oder er Fantasy schon einmal gelesen hat und es mag. Wenn ja, würde ich sagen: Super, dann wird dir „Calaspia“ gefallen, weil es alle guten Elemente von Fantasy enthält – Spannung, Abenteuer, gute Charaktere und Fabelwesen. Aber es steckt viel mehr dahinter, es ist mehr als ein normales Fantasy-Buch. Und es ist nur der Anfang der ganzen Serie. Wenn es für jemanden ist, der Fantasy nicht mag oder nicht kennt, dann würde ich auch sagen: „Calaspia“ ist ein guter Einstieg in die Welt des Fantasy.
pro: Macht das Schreiben als Vollzeitautoren noch genauso viel Spaß wie früher, als ihr noch keinen Termindruck hattet? Jyoti: Ja, ich denke schon. Das kann man nicht so leicht vergleichen, weil wir in den letzten acht Jahren viel gelernt haben. Ich denke, das Schreiben an sich macht fast mehr Spaß. Das, was man liest, klingt so viel besser als das, was man noch mit elf gemacht hat. Klar haben wir jetzt Abgabetermine, die manchmal ein bisschen knapp sind, aber ich denke, das ist auch eine gute Motivation, einfach jeden Tag zu arbeiten und nicht einige Wochen lang eine Pause einzulegen. Manchmal hat man das Gefühl, es klappt von der Kreativität her nicht, wenn ich mich ständig antreibe – aber bis jetzt haben wir das sehr positiv erlebt, wenn man sich zwingt, am Computer zu sitzen, auch wenn man keine Lust hat. Die ersten paar Sätze sind vielleicht schlecht, aber dann fängt es an zu fließen.
pro: Wie geht ihr mit dem Erfolg um, den ihr derzeit habt? Suresh: Eigentlich ganz normal. Wir haben uns nicht groß verändert und unsere Freunde behandeln uns immer noch genauso wie früher – das ist gut so. Auch in unserer Familie werden wir gleich behandelt. Wir selber wissen, dass der Erfolg sehr kurz und schnell vorbei sein kann. Auf Erfolg kann man sich nicht verlassen. Natürlich freuen wir uns, dass sich das Buch gut verkauft und sich so viele Jahre Ausdauer endlich auszahlen. Aber wir haben uns deswegen nicht groß verändert und arbeiten normal weiter. Wir haben uns den Erfolg bis jetzt, so hoffe ich zumindest, nicht zu Kopf steigen lassen.
pro: Gab es einmal einen Moment, an dem ihr aufpassen musstet, dass euch der Erfolg und Trubel nicht zu Kopf steigt? Suresh: Nein, nicht wirklich. Weil es immer wieder Situationen gibt, wo wir erklären müssen, was wir machen. Daran merkt man, dass es doch genügend Leute gibt, die keine Ahnung davon haben, was wir machen. Es ist immer wieder schön, dass uns genau diese Leute ganz normal gegenübertreten. Sie behandeln uns nicht als Autoren oder fast berühmte Schriftsteller. Auf der anderen Seite müssen wir ein bisschen stolz auf das sein, was wir gemacht haben. Wenn uns zum Beispiel die Eltern von Freunden fragen, was wir machen – die meisten in unserem Alter sind jetzt mit der Schule fertig geworden und haben entweder eine Lehrstelle oder gehen an die Universität -, müssen wir erklären, dass wir jetzt Schriftsteller sind. Immerhin, wir können davon leben – ich ein ganzes Jahr und Jyoti schon seit vier Jahren -, Vollzeitschriftsteller zu sein, an weiteren Büchern zu arbeiten und auf Lesereise in Deutschland zu sein.
pro: Der zweite Band ist für März 2009 angekündigt. Seid ihr damit schon fertig? Jyoti: Ja, das Manuskript haben wir im März, einen Tag, bevor die deutsche Lesereise begonnen hat, abgeschlossen – war also ganz schön knapp (lacht). Das Manuskript liegt jetzt beim Übersetzer. Wir arbeiten gerade am dritten Band.
pro: Wie viele Bücher der Calaspia-Reihe sind insgesamt geplant? Jyoti: Die Verlage wie Rowohlt in Deutschland und Mondadori in Italien haben die Lizenzen für die ersten drei Bände erworben – also müssen wir mindestens eine Trilogie abliefern. Aber „Calaspia“ hat das Potential, auch mehr zu werden. Wir haben die Möglichkeit, nach diesen drei oder vier Bänden aufzuhören und eine in sich geschlossene Serie abzuschließen. Dann könnten wir nach ein oder zwei Jahren Pause andere Bücher schreiben, um dann „Calaspia“ fortzusetzen. Theoretisch sind natürlich bis zu zehn Bände möglich, aber fürs Erste beschränken wir uns auf drei bis vier.
pro: Haben Schriftsteller wie ihr auch ein Lieblingsbuch? Jyoti: Das ist auch sehr schwer zu sagen. Bei mir ist es auf jeden Fall das, was ich gerade lese. Unser Lieblingsautor war lange Zeit der Amerikaner Steven Lawhead, der ebenfalls Christ ist. Aber ein spezifisches Lieblingsbuch habe ich nicht. Ich versuche, möglichst viele Bücher aus unterschiedlichen Genres zu lesen, also nicht nur Fantasy. Von allen Autoren, die etwas besser können als wir, möchte ich lernen – und das sind sehr viele! Suresh: Ich habe auch kein Lieblingsbuch.
pro: Und die Bibel? Jyoti: Die Bibel bezeichne ich nicht als „nur ein Buch“, denn jedes der 66 Bücher der Bibel ist unendlich bedeutsamer als ein Fiction- oder Non-Fiction-Werk.
pro: Suresh und Jyoti, vielen Dank für das Gespräch!