Die Imame kommen im Rotationsprinzip für vier Jahre nach Deutschland. Die meisten kommen über das staatliche „Amt für religiöse Angelegenheiten“ mit Sitz in Ankara. Für seine noch nicht abgeschlossene Studie hat Ceylan, Sohn kurdischer Einwanderer, muslimische Gottesdienste besucht und Interviews mit Imamen geführt. Gegenüber dem Magazin „Der Spiegel“ stellte er fest, dass ein Teil der Imame keine wissenschaftliche Ausbildung vorweisen kann und unzureichend auf ihren Deutschlandaufenthalt vorbereitet ist. In den Moscheen stehe vor allem die korrekte Rezitation des Korans im Vordergrund, eine inhaltliche Auseinandersetzung sei nicht primäres Ziel. Dies sei allerdings kein überraschendes Ergebnis. „In fast allen Moscheen, in denen ich war, geht es nur um Memorieren und Rezitieren.“ Es gebe eine große Erwartungshaltung in der türkischen Gemeinde. „Ein Imam wird danach gemessen, wie viel die Schüler vom Koran auswendig rezitieren können, wie schön sie rezitieren und wie richtig“, so Ceylan gegenüber der „Islamischen Zeitung“ (IZ).
Imame ohne fundierte Ausbildung
Weil viele islamische Prediger keine wissenschaftliche Ausbildung hätten, seien sie „anfällig für oberflächliche Interpretationen“, zitiert „Der Spiegel“ den Sozialwissenschaftler. Ceylan sieht auch die Gefahr, dass sich aus diesen Kreisen „nicht selten Fundamentalisten rekrutieren“. Es gebe aber auch den Typ des „intellektuellen Imams“, der eine theologische Ausbildung genossen habe, meist unter 35 Jahre alt sei und oft hier in Deutschland noch einen universitären Abschluss anstrebe. Diese Gruppe sei bildungsorientiert und besuche auch aus eigener Initiative Deutschkurse. Seiner Ansicht nach handele es sich aber nur um eine kleine Minderheit.
Das Zitat im aktuellen „Spiegel“, dass bis zu „20 Prozent der Vorbeter einer fundamentalistisch-konservativen Strömung angehören“, stellte Ceylan gegenüber der „Islamischen Zeitung“ richtig. Er habe die Imame in die Kategorie „traditionell-konservativ“ eingeteilt, daraus sei beim „Spiegel“ ein „fundamentalistisch-konservativ“ geworden.
Erfahrungsaustausch nicht erwünscht
Ein Problem sieht Ceylan darin, dass es kaum einen Erfahrungsaustausch gebe zwischen den Imamen, die neu aus der Türkei nach Deutschland kommen, und denen, die bereits auf jahrelange Erfahrung in Deutschland zurück blicken. Dies sei vonseiten der Religionsbehörde nicht gewollt: Mit dem Argument, dass negative Erfahrungen nicht weitergegeben werden sollten, solle jeder Imam seine eigenen Erfahrungen machen, zitiert die „IZ“ den Sozialforscher. Nach Ceylans Ansicht könnten Imame durchaus eine wichtige Rolle für die Integration spielen, da sie eine gewisse Vorbildfunktion hätten, man solle „ihre Rolle aber nicht überbewerten“.
Rauf Ceylan hat seine Doktorarbeit über das Leben einer türkischen Kolonie in einem Duisburger Stadtteil geschrieben. Außerdem beschäftigt er sich mit der Gettoisierung in deutschen Städten.