Ben Stein ist ein bekannter Schauspieler, Komödiant, Fernsehmoderator, aber auch Buchautor, ehemaliger Rechtsanwalt und Redenschreiber für die US-Präsidenten Richard Nixon und Gerald Ford. Er sah sich verpflichtet, einen Film darüber zu machen, wie Wissenschaftler mittlerweile behandelt werden, die die Evolutionstheorie anzweifeln, und machte sich so seinem Ärger Luft. Stein ist in den USA insbesondere bekannt als Moderator, etwa der preisgekrönten Gameshow „Win Ben Stein’s Money“. Für den Wirtschaftsteil der „New York Times“ schreibt er eine regelmäßige Kolumne namens „Everybody’s Business“. Politisch vertritt er eher konservative Standpunkte.
Nicht alle Wissenschaftler stimmen in den allgemeinen Chor mit ein, dass die Theorie von Charles Darwin (1809-1882), nach der sich das Leben auf der Erde allmählich von niederen zu höheren Tieren und schließlich zum Menschen fortentwickelt hat, bewiesen sei. Viele renommierte Forscher haben noch offene Fragen und scheuen sich nicht, sie zu äußern. Vieles in der Natur könne nicht erklärt werden, wenn man von einer zufälligen Entwicklung des Lebens ausgehe, daher stellten manche die Theorie vom „intelligenten Designer“ auf – und ernteten massive Anfeindungen. In Anspielung daran nannte Stein seinen Film doppeldeutig: „Expelled: No Intelligence Allowed„, zu Deutsch: „Ausgestoßen: Intelligenz verboten“.
Seit dem 8. April läuft der humorvoll gemachte Film in amerikanischen Kinos, und er schlägt hohe Wellen. Bereits am ersten Wochenende spielte er 3,2 Millionen Dollar ein, und seit Tagen muss Stein in den größten Talkshows des Landes Rede und Antwort stehen. Auf „YouTube“ posten zahlreiche Nutzer ihre persönlichen Reaktionen. „Vermutlich wird der Film schon aus ökonomischen Gründen nie in deutschen Kinos gezeigt werden“, schrieb eine Autorin in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung „Die Zeit“, „nur in den USA haben die Kreationisten eine nennenswerte Gefolgschaft, die einen Erfolg an der Kasse sichert“.
Stein sprach für seine Dokumentation mit Wissenschaftlern, die ernsthafte Schwierigkeiten bekamen, nachdem sie die Evolutionstheorie kritisiert hatten. Der ehemalige Präsidentschaftskandidat der Republikaner, der evangelikale Christ Mike Huckabee, warb in einem eigenen Video für den Film Steins und bestärkte dessen These, dass an den Hochschulen und Universitäten des Landes die Dozenten Schwierigkeiten bekämen, wenn sie laut darüber nachdachten, dass die Evolutionstheorie Lücken haben könnte. „Das liberale Establishment will und kann nicht erlauben, dass darüber auch nur diskutiert wird“, so Huckebee. „Steins Film zeigt, dass die Wissenschaftler hingegen überhaupt keine Hinweise dafür haben, wie das Leben entstanden ist. Sie akzeptieren Außerirdische als mögliche Quelle von Leben, aber Gott ist nicht erlaubt.“
„Ohne Darwinismus hätte es keinen Holocaust gegeben“
Stein geht in seinem Film die Evolutionstheorie scharf an und hebt ihre Folgen hervor: „Darwinismus hängt immer auch mit Sozial-Darwinismus zusammen, und der besagt, dass eine Rasse höhergestellt ist als eine andere“, so Stein, der aus einer jüdischen Familie stammt, in einem Fernsehinterview. „Die eine Rasse darf demnach die ’niedrigere‘ Rasse auslöschen, wie es etwa bei meinem eigenen Volk, den Juden, oder bei Schwarzafrikanern, den Indianern oder Aborigines passiert ist.“ Es hätte „keinen Holocaust ohne Darwinismus“ gegeben, so seine These.
Bereits jetzt würden Evolutionskritiker unverschämt behandelt, das bestätigten die Interviews, die er für seinen Film führte. Forscher würden gezielt aus der wissenschaftlichen Gemeinschaft ausgestoßen und vom restlichen Wissenschaftsbetrieb ausgeschlossen. Als Sinnbild dafür zeigt Stein Aufnahmen der Berliner Mauer sowie Ausschnitte aus der Rede Ronald Reagans von 1987 vor dem Brandenburger Tor, wo er Gorbatschow aufforderte, die Mauer abzureißen.
Doch Stein zeigt sich im Film überzeugt: „Alles, was existiert, wurde von einem liebenden Gott erschaffen.“ Er habe jedoch „kein Problem“ mit Menschen, die anders dächten, so Stein. Schließlich gehöre er einer freien Gesellschaft an, und nicht einer Diktatur wie in Deutschland zur Hitler-Zeit. „Jeder kann sagen, was er über Gott oder die Entstehung des Lebens glaubt. Das jedenfalls habe ich immer gedacht.“
Am Beispiel des Evolutionsbiologen Richard Steinberg macht Stein jedoch klar, dass er daran längst zweifelt. Steinberg gab bis 2005 ein Journal heraus, in dem jedoch „fatalerweise“ ein Artikel von Stephen C. Meyer vom „Discovery Institute“ erschienen war. Darin behauptet der Autor, es gebe Hinweise in der Biologie, dass nicht alles am Menschen durch Zufall entstanden sein könne. Vieles spreche hingegen dafür, dass nur ein höheres, intelligentes Wesen die komplizierten Mechanismen geschaffen haben könne. Was Steinberg daraufhin erlebte, bezeichnet er selbst als zielgerichtete Kampagne, die das Ende seiner Karriere herbeiführen sollte und schließlich auch herbeiführte. „Ich wurde behandelt wie ein intellektueller Terrorist“, sagt Steinberg, dessen Magazin mittlerweile eingestellt werden musste.
Wer zu diesem Thema eine andere Meinung vertrete, werde inzwischen mundtot gemacht. Doch Steins Anklage geht noch weiter: So wie sich die Juden fühlten, die einst von den Nazis als „minderwertige“ Menschen verfolgt wurden, so fühlten sich mittlerweile Menschen, die nicht an der Evolutionstheorie festhalten wollten. Nazi-Aufmärsche und rollende Panzer und sogar KZ-Krematorien zeigt Stein. Darwin habe der nationalsozialistischen Rassenideologie den Weg geebnet, soll damit klar ausgedrückt werden. Der Filmemacher reiste auch ins hessische Hadamar, wo 15.000 geistig behinderte Menschen im Rahmen von Hitlers Euthanasie-Programm ermordet wurden. „Für mich als Juden hat dies eine persönliche Komponente, der ich nachgehen musste“, sagt Stein.
„Ich warne euch, bevor es zu spät ist“
Sein Film wird derzeit heißt diskutiert. Der bekannte Atheist und Biologe Richard Dawkins, der sich Steins Film gemeinsam mit anderen geladenen Gästen und Journalisten vorab ansehen durfte, kommt auch im Film vor. „Kreationisten sind einfach keine Wissenschaftler“, ist er überzeugt und spricht sogar von einer „Doktrin“, die diese durchdrücken wollten. Dabei ist deren Vergehen lediglich, eine andere Meinung zu haben und verhindern zu wollen, dass eben jene Evolutionstheorie ihrerseits zum Dogma erhoben wird.
Auf „YouTube“ posten Hunderte ihre Reaktion auf „Expelled“. Auch ein Video mit Dawkins und PZ Myers, einem Biologe, der Evolutionskritiker öffentlich angeht, findet sich dort. Selbst eine Parodie namens „Sexpelled: No Intercourse Allowed“ wurde mittlerweile ins Netz gestellt; sie beschreibt eine angebliche Ausgrenzung von Forschern, die der Theorie anhängen, dass der Storch die Babys bringt.
„Es ist meine Pflicht, die Menschen zu warnen, bevor es zu spät ist“, begründet Stein seine Motivation für den Film. Er selbst ist kein Wissenschaftler, sondern gestandener Schauspieler und Entertainer und muss daher um eine ruinierte Karriere nicht mehr fürchten. Doch schon zu Beginn des Films warnt er seine Zuschauer: „Manche, die nur schon diesen Film ansehen, müssen Konsequenzen fürchten. Einige verlieren vielleicht ihre Freunde, andere vielleicht sogar ihren Job.“