„Seehaus Leonberg“: Christliche Werte für jugendliche Straftäter

Nach einem brutalen Überfall auf einen Rentner in der Münchner U-Bahn debattieren Politiker und Experten über die Wirksamkeit von strengeren Haftstrafen für junge "Intensivtäter". Der Sozialpädagoge Tobias Merckle setzt dem geschlossenen Strafvollzug den direkten Kontakt zu straffällig gewordenen Jugendlichen entgegen. Das Konzept seines Vereins "Prisma": Disziplin, Geborgenheit und der christliche Glaube.
Von PRO

Das „Seehaus“ in Leonberg bei Stuttgart ist eines von zwei Projekten des freien Jugendstrafvollzugs in Deutschland. Und jetzt, mitten in der öffentlichen Debatte um eine Verschärfung des Jugendstrafrechts oder den Forderungen nach „Erziehungscamps“ für straffällig gewordene Jugendliche, stellen Leitmedien das Projekt von Merckle in großen Reportagen vor. Sowohl die „Welt am Sonntag“ als auch die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ und der „Spiegel“ berichteten in ihren jüngsten Ausgaben über die Einrichtung. Auch das ZDF war kürzlich da und drehte für das „Morgenmagazin“ einen Beitrag.

Gegründet wurde das „Seehaus“ 2003 von Tobias Merckle. Rund 50 Jugendliche verbüßten seitdem ihre Haft auf dem ehemaligen Gutshof in Baden-Württemberg, schreibt die „Welt am Sonntag“ (WamS). Merckle selbst stammt aus einer schwäbischen Unternehmerfamilie.

Streng geregelter Tagesablauf

Die Jugendlichen dürfen sich auf dem Gelände frei bewegen. „Jugendliche und Heranwachsende zwischen 14 und 21 Jahren, die bereit sind an sich zu arbeiten, können sich vom Jugendstrafvollzug aus für das Projekt bewerben“, beschreiben die Initiatoren das Projekt. „Nach Zustimmung des Anstaltsleiters verbringen sie ihre gesamte Haftzeit im Projekt. Dort erwartet sie ein durchstrukturierter und harter Arbeitsalltag. Um 5:45 Uhr beginnt der Tagesablauf mit Frühsport. Bis 22 Uhr sind die Jugendlichen in ein konsequent durchgeplantes Erziehungsprogramm eingebunden. Hausputz, Schule, Arbeit, Berufsvorbereitung, Sport, gemeinnützige Arbeit, Täter-Opfer-Ausgleich, soziales Training und die Vermittlung christlicher Werte und Normen sind fester Bestandteil des Konzepts. Sie dienen dazu, dass die Jugendlichen lernen, Verantwortung zu übernehmen und sich als gesetzestreue Bürger in die Gesellschaft wiedereingliedern können.“

An drei Tagen die Woche werde auf dem Bau gearbeitet, schreibt die „WamS“ weiter, in kleinen Teams helfen die Jugendlichen, den alten Hof unter Anleitung zu renovieren, und können so ihr erstes Lehrjahr für Bauberufe absolvieren. An zwei Tagen die Woche werden die Jugendlichen unterrichtet und können ihren Hauptschulabschluss nachholen.

Voraussetzung: Wille zur Veränderung

Das neue Jugendstrafgesetz von Baden-Württemberg erlaube Jugendstrafvollzug in freien Formen, von privaten Trägern, parallel zum offenen und geschlossenen staatlichen Vollzug, schreibt die „WamS“. Momentan leben 14 junge Männer im „Seehaus“. Sie alle haben sich im Gefängnis für die Jugendhilfeeinrichtung beworben. Die Voraussetzung ist der Willen zur Veränderung.

In dem durchstrukturierten Tagesablauf werden die Jugendlichen konsequent gefordert. Sie müssen Leistung erbringen und erhalten im Gegenzug dazu gewisse Rechte, wie beispielsweise ein Telefonat mit der Freundin oder den Eltern. Darüber hinaus benoten „Haus-Eltern“, Lehrer und Mitarbeiter die Jugendlichen täglich in Sachen Sauberkeit, Sozialverhalten, Arbeitstempo in der Werkstatt und so fort, schreibt der „Spiegel“.

Familiäre Wohngruppen

Neben der Arbeit werden die jungen Männer aktiv in einen Familienalltag eingebunden. Zwei Ehepaare leben jeweils mit ihren eigenen Kindern und sieben Jugendlichen in einer Wohngruppe. Die Jugendlichen helfen im Haushalt mit und abends wird gemeinsam besprochen, was am Tag gut und was weniger gut funktioniert hat, so die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ (FAS).

Glaube spielt wichtige Rolle

Jeden Tag wird gemeinsam in der Bibel gelesen. „Wir bieten ihnen den Glauben an“, sagt Tobias Merckle gegenüber der „WamS“, „die Jugendlichen entscheiden selbst, ob sie ihn annehmen.“ Regelmäßig finden zudem Gottesdienste statt.

Kaum Rückfälle

Laut „WamS“ hat der Sozialpädagoge 13 Jahre an dem Konzept für das „Seehaus“ gefeilt. Vorbild war eine Einrichtung aus den USA. 2002 bewilligte die Landesstiftung Baden-Württemberg ein Startkapital von 3,5 Millionen Euro, Ratiopharm übernahm eine Bürgschaft. Seit Beginn dieses Jahres bekommt Merckles Verein Prisma 203 Euro pro Häftling und Tag vom Justizministerium.

Merckles Konzept scheint aufzugehen. Laut dem „Spiegel“ hat das „Seehaus“ Rückfallquoten, von denen andere Anstaltsleiter nur träumen können: 15 Jungen hätten ihre Haft in Leonberg in den vergangenen drei Jahren beendet, zwei seien bislang rückfällig geworden.

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