„Gespräche mit Gott“ ist die Verfilmung der Geschichte von Neale Donald Walsch. Der 1943 in Milwaukee, Wisconsin, geborene Mann hatte einen Unfall und verlor danach seinen Job. Als Obdachloser musste er sich sein Essen schließlich in Mülltonnen zusammensuchen. Verärgert über seine Misere schrieb er Gott einen Brief. Und der antwortete. Walsch brauchte nach eigener Aussage nichts weiter zu tun, als die rege Konversation mit Gott auf Papier zu bringen. Das daraus entstandene Buch „Gespräche mit Gott“ verkaufte sich millionenfach, wurde in 34 Sprachen übersetzt und hielt sich 137 Wochen auf der Bestseller-Liste der New York Times. Es folgten sechs weitere Bände. Walsch wurde zum Millionär. Auf Lesungen propagiert er bis heute eine „neue Spiritualität“ und sein pantheistisches Weltbild, in dem wir alle Gott sind, und in dem Gott in allem ist.
Der ehemalige Hollywood-Regisseur Stephen Simon verfilmte die Geschichte Walschs. Der Film läuft seit Januar in den USA, in Deutschland kommt er am 11. Oktober in die Kinos. Walsch tourt um die Welt, um Werbung für den Streifen, seine Geschichte und vor allem sein Weltbild zu machen. Er ist populärer Sprecher einer neuen Bewegung, die nicht weniger zum Ziel hat als die Verbreitung einer neuen Religion, die die alten ablöst. Zu einem „Aufbruch in eine trans-christliche Spiritualität“ lädt die Webseite „Gespräch mit Gott – der Film“ (gmg-derfilm.de) ein. Die „Neue Spiritualität“ erlaube es, „unsere jeweilige Hinwendung zum Göttlichen in einer Weise auszudrücken, die nicht (mehr) automatisch alle anderen Zugänge als falsch aussehen lässt“, sagte Walsch in einem Interview. Es gehe darum, den gemeinsamen Kern der verschiedenen Ethik- und Religionssysteme „freizulegen und zu erweitern“. Dann endlich könne die Menschheit ihre widerstrebenden Moralvorstellungen hinter sich lassen und den Schritt zu einer gemeinsamen Moral, einer übergeordneten Ethik vollziehen. Denn dass die alten religiösen Vorstellungen nicht (mehr) funktionieren, liegt für ihn auf der Hand.
Diese Ansichten der Esoteriker und New Age-Anhänger sind nicht neu. Durch „den Frieden im Innern“, den jeder Mensch suchen könne und solle, könnten „alle Kriege enden, Konflikte ausgeschaltet, Ungerechtigkeiten verhindert und der Welt immerwährender Frieden gebracht werden“, ist auch Walsch überzeugt. Der Frieden kommt nicht von Gott, sondern vom Menschen selbst – ein altes Wunschbild, das in der Bibel klar als unchristlich deklariert wird. Die alten Religionen, vor allem das Christentum mit einem richtenden Gott, seien überholt, so Walsch: „Gottes größter Moment ist der Augenblick, in dem die Menschen erkennen, dass sie keinen Gott brauchen.“
„Wir kommen alle in den Himmel. Selbst Hitler.“
In einem Band von „Gespräch mit Gott“ schreibt Walsch: „Hitler ging in den Himmel ein. Wenn ihr das begreift, begreift ihr Gott!“ Letztendlich gebe es nur ein „Einssein mit Gott“. Walsch gründete die weltweit agierende Initiative „Humanity´s Teams“ („Team der Menschheit“). Sie hat bereits eine Vielzahl von Büchern, Filmen und Webseiten in Umlauf gebracht sowie ein weitverzweigtes Netzwerk von „spirituellen Bürgerrechtsgruppen“ gestrickt. In seiner Heimatstadt Ashland hat der reiche Buchautor die „Spirituelle Universität“ ins Leben gerufen. In über 90 Ländern soll Walschs esoterische Erweckungsbewegung bereits aktiv sein und 15.000 Mitglieder haben. Die „spirituelle Revolution“ sei vergleichbar mit der Reformation Martin Luthers oder mit der Bürgerbewegung Martin Luther Kings. „Wir nennen es die zweite große Verbesserung“, so Walsch. Doch diesmal gehe es darum, sich vom „Glauben an einen bedrückenden Gott der Wut und der Gewalttätigkeit“ zu befreien.
Um die „Revolution“ der neuen Spirituellen voranzubringen, wurde für die Traumfabrik Hollywood ein neues Genre ins Leben gerufen: der „Spirituelle Film“. Dieser wolle dem Zuschauer „durch eine spezielle Aussage und Gestaltung jenseits aller religiösen Dogmen eine tiefe seelisch-spirituelle Erfahrung vermitteln“. In Deutschland ist es die esoterische „TAO Cinemathek“ des Bielefelder J. Kamphausen-Verlages, die sich für eine Verbreitung der neuen spirituellen Medien einsetzt. Eine ähnliche Arbeit verrichtet die Initiative „Spiritual Cinema Circle“, die der ehemalige erfolgreiche Hollywood-Regisseur Stephen Simon gründete. In ihm fand Walsch einen würdigen Profi, der seine Geschichte verfilmen sollte. Simon ist Autor des Buches „Die Kraft ist mit Dir: Mystische Botschaften in Filmen, die unser Leben inspirieren“ (2002).
Der Regisseur hat sich aus Hollywood zurückgezogen und lebt nun in Ashland im US-Bundesstaat Oregon, um, wie er sagt, als „bewusster Metaphysiker“ zu leben. Denn: „Bewusstsein sollte oberste Priorität im Leben haben.“ Dann könne man „Magisches“ vollbringen. Sein Film „What dreams may come“ (deutsch: „Hinter dem Horizont“, 1998) handelte von einem Mann (Robin Williams), der nach seinem Tod im Himmel landet und die Seele seiner Frau in der Hölle sucht, die Selbstmord begangen hat. Für die Darstellung des Himmels, der einem farbenprächtigen Ölgemälde seiner Frau gleicht, gewannen die Techniker einen Oscar, die Handlung wurde jedoch von den Kritikern gemeinhin als „extrem kitschig“ beurteilt. Am Ende des Films wird sowohl ihm wie ihr die Reinkarnation ermöglicht, wodurch sie sich als Kinder erneut kennen lernen und verlieben können. Auch der Film „Indigo“, für den Simon 2003 Regie führte, ist bestimmt durch das Weltbild der Esoteriker. Der halb Spiel- halb Dokumentarfilm erzählt von so genannten „Indigo-Kindern“, die angeblich über besondere übermenschliche Fähigkeiten verfügen. Sie wurden der Menschheit geschenkt, um sie zu retten, so die Auffassung. Ko-Autor des Films: Neale Donald Walsch, Wohnnachbar von Simon in Ashland, Oregon, der seine neue Botschaft von einem Leben ohne Gott von Gott selbst erhalten haben will.
Filme für ein „tieferes Verständnis des Lebens“
Im Film „Gespräche mit Gott“ („Conversations with God“) hat Simon Walschs Geschichte nacherzählt, wie er vom Obdachlosen zum Bestsellerautor wird. Kritiker bemängeln eine „distanzlose Glorifizierung“ des Protagonisten Walsch, der wie ein Messias verklärt werde. Auch hier nähmen die „kitschigen Momente“ sehr viel Raum ein, schreibt „Filmstarts.de“. Finanziert wurde der Film unter anderem von der Initiative „Spiritual Cinema Circle“ von Regisseur Simon. Diese Organisation zählt nach eigenen Angaben bereits 12.000 Mitglieder weltweit. Wer Mitglied im „Circle“ wird und monatlich 21 Dollar zahlt, bekommt regelmäßig Filme der „neuen spirituellen“ Art zugeschickt. Darin kann es schon mal um Kornkreisfelder gehen, meistens aber um ein „tieferes Verständnis des Lebens“. „Wir sind eine Gemeinschaft von erleuchteten („light-minded“) Menschen“, sagt Simon in einem kleinen Video auf der Webseite der Organisation. Entstanden ist der Film in Zusammenabreit mit der Firma „Gaiam“, die nicht nur Utensilien für ein umweltbewusstes, „grünes Leben“ mit Yoga und Mediation verkauft, sondern auch Informationen über ein „ganzheitliches Leben“ verbreitet. Der Name setzt sich zusammen aus „Gaia“ und „I am“. Gaia, die Gottheit der Erde, ist für viele Esoteriker seit der Hippie-Bewegung Sinnbild für das „lebende Wesen Erde“ und den „beseelten Organismus“.
Die Filmemacher Walsch und Simon und ihre Anhänger propagieren einen Mix aus Religionen, Natur-Kulten und Traditionen, die für jeden spirituell Interessierten etwas hat. Vor allem aber eine Alternative zum christlichen Glauben, der in den letzten Jahren in so manchem Hollywood-Streifen durchschimmerte. Der Film „Gespräche mit Gott“ zeigt: es hat sich längst eine Gegenbewegung formiert, die dem „christlichen Hollywood“ eine „neue Spiritualität“ der Esoterik entgegenstellt.