Schöpfung im Unterricht: Ministerin im Kreuzfeuer

W i e s b a d e n (PRO) - Mit einem Interview in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (F.A.Z.) hat die hessische Kultusministerin Karin Wolff (CDU) eine Woge der Entrüstung bei Politikern und Wissenschaftlern ausgelöst. Wolff hatte daran erinnert, dass im Schulunterricht nicht nur naturwissenschaftliche, sondern auch philosophische und theologische Fragen behandelt werden sollten, was besonders bei der Frage nach der Evolutionstheorie bedeutend sei. In einer Erklärung relativierte die Ministerin nun ihre Aussagen.
Von PRO

„Hessens Kultusministerin Karin Wolff will die biblische Schöpfungsgeschichte im Lehrplan des Faches Biologie aufnehmen“, berichteten viele Medien nach dem Interview in der F.A.Z. Diese Behauptung entbehre „jeder Grundlage“, erklärte das Ministerium nun und wies darauf hin: „Die hessische Kultusministerin distanziert sich in diesem Interview eindeutig von kreationistischen Denkmustern“. Denn die Grundannahmen der Evolutionstheorie seien“ überaus gefestigt“, und „Kreationismus hat nichts mit wissenschaftlicher Erkenntnis zu tun“.

Erhitzt hatte sich die Diskussion unter anderem, weil Wolff in dem F.A.Z.-Interview von einer „erstaunlichen Übereinstimmung“ zwischen dem biblischen Schöpfungsbericht und der Evolutionstheorie gesprochen hatte. Wolff, die von 1986 bis 1995 evangelischen Religionsunterricht an der Darmstädter Edith-Stein-Schule erteilte, forderte einen „modernen Biologieunterricht“, der Fragen nach dem Sinn des Lebens und nach dem Ursprung des Seins behandele. „Solche Fragen müssen in der Schule nicht nur zugelassen, sondern provoziert werden“, sagte die CDU-Politikerin. Deshalb sollten nicht nur Biologielehrer, sondern alle Pädagogen in ihrem Unterricht über die Deutungen der Welt und des Menschwerdens reflektieren. Dabei sehe sie in der biologischen Evolution und der biblischen Erklärung für die Entstehung der Welt keinen Widerspruch. Wolff, die seit 1999 hessische Kultusministerin ist, sagte einmal von sich, die Bibel sei für sie „das faszinierendste Buch“ und „eine Art Koordinatensystem für ihr Leben“.

Entrüstung, Protest und Häme

„Von einer hessischen Kultusministerin muss man im Jahr 2007 erwarten können, dass sie nicht hinter die Aufklärung zurückfällt“, reagierte am Donnerstag entrüstet die hessische SPD-Landesvorsitzende Andrea Ypsilanti in einer Aktuellen Stunde im Landtag auf die Berichte über Wolffs Aussagen. Die biblische Schöpfungsgeschichte sei geeignet, „uns Menschen den Respekt vor der Schöpfung und vor der Bewahrung unserer natürlichen Lebensgrundlagen zu lehren“, so Ypsilanti. „Aber sie ist ungeeignet, auf eine Augenhöhe mit naturwissenschaftlichen Erkenntnissen gestellt zu werden.“ Alle Oppositionsparteien im Landtag wiesen nachdrücklich auf die Trennung von Kirche und Staat sowie auf die staatliche Verfassungspflicht zu weltanschaulicher Neutralität hin.

Im Hinblick auf die ohnehin scharf kritisierte Bildungspolitik in Hessen merkte der bildungspolitische Sprecher von „Bündnis 90 / Die Grünen“, Mathias Wagner, an: „Frau Wolff ist nicht nur als mittelmäßige Parteifunktionärin, sondern jetzt auch noch als schlechte christliche Missionarin unterwegs. Unsere Schulen bräuchten aber eine starke Kultusministerin, die sich um die tatsächlichen Probleme kümmert“. Zudem verstoße die „christliche Deutung der Welt außerhalb des Fachs Religion“ gegen den Verfassungsauftrag und die Neutralitätspflicht des Staates“. Die Verzweiflung der CDU „angesichts der katastrophalen Bilanz der Schulpolitik nach acht Jahren Karin Wolff“ müsse „groß“ sein, so die Grünen weiter.

Auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft erklärte: „Die Schöpfungslehre eignet sich nicht zur Beschreibung der Evolution.“ Und der Verband deutscher Biologen betonte, dass „biblische Dogmen und Mythen“ im naturwissenschaftlichen Unterricht keinen Raum hätten. Christliche Schöpfungslehre sei keine Wissenschaft, urteilte der Chemie-Nobelpreisträger Hartmut Michel. In einem Interview mit dem Radiosender „hr-info“ sagte der Vizepräsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Biologieprofessor Jörg Hinrich Hacker: „Religion ist wichtig. Aber im Biologie-Unterricht hat die Schöpfungslehre in unseren Augen nichts zu suchen.“

Nichts anderes fordert der Lehrplan

Doch Ministerin Wolff erhielt auch Rückendeckung. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) verteidigte die Äußerungen seiner Ministerin: Im Biologieunterricht müsse die Auseinandersetzung mit philosophischen und theologischen Aussagen die naturwissenschaftliche Diskussion ergänzen. „Nicht mehr und nicht weniger hat Karin Wolff gesagt“, so Koch. Der Ministerpräsident plädierte dafür, dass naturwissenschaftliche und weltanschauliche oder religiöse Erklärungen zumindest in der Jahrgangsstufe 12 verglichen werden. Es gehe nicht um Mission im Biologieunterricht, sondern um Fragen darüber, was am Ende der menschlichen Erkenntnis stehe: die weitere Suche oder der Glaube. Koch nannte es zudem einen „Schutz vor Fundamentalismus“ für Jugendliche, wenn sie sich mit solch strittigen Fragen in der Schule auseinandersetzen könnten. Auch der FDP-Fraktionsvorsitzende Jörg-Uwe Hahn hielt die Behandlung der Schöpfungsgeschichte im Biologieunterricht für möglich, wenn sie erst in Jahrgangsstufe 12 erfolge.

Ähnlich sah es der CDU-Fraktionsvorsitzende Christean Wagner, der sich dafür aussprach, „zulässige Fragen“ von Schülerinnen und Schülern fächerübergreifend zu behandeln. Dazu gehöre „der Schöpfungsbericht als eine allegorische Darstellung der Entstehung der Welt“, der ein Erklärungsmodell unter anderen sei. Die Fraktion stellte jedoch auch fest, dass das Thema in der öffentlichen Debatte ohne Missverständnisse kaum zu vermitteln sei.

Wolffs Ministerium distanzierte sich von dem in ihren Augen missverstandenen F.A.Z.-Interview: „Zur Aufgabe der Schule gehört es, junge Menschen … sensibel und wachsam gegenüber den unwissenschaftlichen und völlig inakzeptablen Vorstellungen der Kreationisten zu machen“. Ihr Ministerium betonte jedoch noch einmal, dass im Unterricht „theologische und philosophische Fragen nach dem Sinn des Seins und der Existenz von Welt und Mensch eine Rolle spielen sollten“. Dies verlange bereits der in Hessen gültige Lehrplan für das Fach Biologie. Dort heißt es beim Thema Evolution in der Jahrgangsstufe 12 II des achtjährigen Gymnasiums (G8): „Auseinandersetzungen mit philosophischen und religiösen Aussagen müssen die naturwissenschaftliche Diskussion ergänzen und erweitern.“

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