Das Jugendschutzgesetz erlaubt seit dem 1. April 2003: „Haben Filme die Kennzeichnung ‚Freigegeben ab 12 Jahren‘ erhalten, kann auch Kindern im Alter von sechs Jahren aufwärts der Einlass zur Vorstellung gewährt werden, wenn sie von einer personensorgeberechtigen Person begleitet werden.“ Diese so genannte „Parental Guidance“ (PG)-Regelung habe „einen gravierenden Nachteil“, schreibt die Tageszeitung „Die Welt“: „Die Ausnahme wird nun zur Regel.“ Einen elfjährigen Harry-Potter-Fan, „der alle Bücher kennt und beim Karneval selbstverständlich als Zauberer verkleidet war“, könne wohl nichts davon abhalten, sich den neuen Film anzusehen. Der Film „Harry Potter und der Orden des Phönix“ kommt am 12. Juli in die Kinos. Selbst wenn der erst ab zwölf Jahren freigegeben werden sollte: Der Vater des Elfjährigen könnte ebenfalls Harry-Potter-Fan sein, „und der kommt garantiert mit“, schreibt die „Welt“ und zweifelt: „Dürfen Sechsjährige mit Begleitung Lord Voldemort beim Morden zusehen?“
Längst seien nicht alle Filme dieser Art für Kinder verträglich – ob nun ein Erwachsener dabei sei oder nicht, sagen Experten. Der Erziehungswissenschaftler Stefan Aufenanger von der Universität Mainz ist der Ansicht, „dass nicht prinzipiell alle Filme für Kinder mit Elternbegleitung möglich sind“. Die Eltern sollten stattdessen sinnvolle Hinweise darüber bekommen, welche Filme für ihre Kleinen geeignet sind und welche nicht. Laut der „Welt“ berichteten Kinomitarbeiter von Eltern, die sich, mit verängstigten und blassen Kindern an der Hand, bitter beschwert hätten: Sie hatten die Freigabe als Empfehlung begriffen – „ein altes Missverständnis, das die FSK seit Jahrzehnten vergeblich aus der Welt zu räumen versucht“.
Unterschiedliche Regelungen in Europa
Die Bundesregierung will bis Ende nächsten Jahres über die „PG“-Regelung neu entscheiden. In anderen europäischen Ländern besteht dies Problem gar nicht: In Dänemark können Kinder jeden Film ansehen, wenn ihre Eltern dabei sind, in Frankreich ist ihnen das sogar ohne jede Elternbegleitung möglich; die Begründung: jedem sei klar, dass es sich dabei um Fantasieprodukte handele, die mit der Realität nichts zu tun hätten.
Pädagogen fordern zudem, dass Filme, wie in den USA üblich, mit Empfehlungen versehen werden, etwa von der FSK, die die Filme ohnehin sichte. Der Ständige Vertreter der Obersten Landesjugendbehörden bei der FSK, Folker Hönge, lehnt dies ab: „Wir prüfen, ob ein Film beeinträchtigend ist. Pädagogische Empfehlungen sind nicht unsere Aufgabe.“ Joachim von Gottberg, Geschäftsführer der „Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen“ und Hönges Vorgänger bei der FSK, erinnert daran, dass die FSK eine Einrichtung der Filmwirtschaft ist, „und von der kann man kaum erwarten, dass sie vom Besuch eines Films abrät“.
Bund will „gewaltbeherrschte Spiele“ verbieten
Auch bei Computerspielen tendiert die Bundesregierung dahin, mehr zu verbieten. Nach Ansicht der Bundesfamilienministerin rutschten bislang zu viele Spiele durch den Filter der „Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle“ (USK). Im Herbst will das Bundeskabinett über die Verschärfung des Jugendschutzgesetzes entscheiden. Geplant ist, nicht mehr nur „Gewalt verherrlichende Spiele“ zu verbieten, sondern auch „gewaltbeherrschte Spiele“. Der Sprecher von Ministerin von der Leyen, Jens Flosdorff, erläutert: „Wenn Sie beispielsweise in einem Spiel belohnt werden, weil Sie Gewalt anwenden, anstatt eine Aufgabe friedlich zu lösen, kann das aus unserer Sicht Jugendliche negativ beeinflussen.“ Es bestehe die Gefahr, dass Gewalt als Lösungsmöglichkeit auch im wirklichen Leben angewendet werde.
Das Hans-Bredow-Institut in Hamburg hat im Auftrag des Familienministeriums eine Studie zum Jugendschutz bei Video- und Computerspielen durchgeführt. Es fordert striktere Kriterien bei der Beurteilung der Gefährlichkeit von Computerspielen. Die Arbeit der USK bezeichnet das Institut als „noch optimierbar“. Die Bundesprüfstelle des Familienministeriums solle künftig bei „kritischen Titeln“ stärker eingebunden werden. Auch die Kriterien der Begutachtung müssten konkreter werden, so die Forscher. Dabei sollten die „Art der Einbindung von Gewalt“, deren Realitätsnähe, Belohnung und Explizitheit berücksichtigt werden. Die Gutachter werden angehalten, darauf zu achten, wie detailliert und blutrünstig ein Spiel das Töten darstellt. Die USK prüft rund 2.700 Spiele im Jahr. Nur ein Fünftel der Spiele galt 2005 als jugendgefährdend. Auch von der Leyen wirft der USK vor, zu viele Spiele durchgehen zu lassen, die bei der Bundesprüfstelle auf den Index gekommen wären.