In seinem Vortrag „Medien und Gewalt – Forschungsstand und kriminalpräventive Vorschläge“ fasste Hermann die internationalen Studienergebnisse über die Auswirkungen medialer Gewalt zusammen. Neue Metaanalysen, die verschiedene internationale Forschungsarbeiten ausgewertet hätten, zeigten eindeutige Ergebnisse: „Der Konsum von Gewalt in den Medien wirkt unter ungünstigen Bedingungen gewaltfördernd.“ Als ungünstige Bedingungen nennt Hermann anhaltende eigene Gewalterfahrungen, Misserfolge in Beruf und Schule und ein niedriges Bildungsniveau, aber auch die Erfahrung männlicher Jugendlicher, dass Gewaltanwendung das einzige Mittel sei, sich kurzfristig Respekt zu verschaffen
Medienanbieter sollen Unschädlichkeit der Medien beweisen
Der Soziologe sieht einen direkten Zusammenhang zwischen gesellschaftlichen Werten, dem Bildungsgrad einer Gesellschaft und Art und Umfang des Medienkonsums. Laut Hermann spiele es dabei keine Rolle, ob junge Menschen Gewalt im Fernsehen, im Computerspiel oder in anderen Medien begegnen. „Nicht die Art des Mediums ist entscheidend, sondern die Inhalte.“
Dabei sieht Hermann vor allem Medienanbieter und Produzenten in der Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und fordert diese auf, die Unschädlichkeit ihrer Produkte zu beweisen. Weitere Möglichkeiten, den Auswirkungen von Medien zu begegnen, sieht Hermann im Rahmen des Schulunterrichts: geschlechtsspezifische Medienerziehungsprogramme könnten die Medienkompetenz bei Schülern erhöhen.
Internet-Tricks rechtsextremer Gruppierungen
Andreas Link von „jugendschutz.net“ in Mainz klärte über jugendgefährdende Angebote im Internet auf. Er wies besonders darauf hin, dass rechtsextreme Gruppierungen gezielt Videoplattformen nutzen, um ihre Inhalte zu verbreiten. Anhand konkreter Beispiele zeigte der Jugendschützer, wie gewisse Gruppen es auf moderne und jugendnahe Weise schaffen, Jugendliche für die Aktivitäten von Rechtsextremen zu gewinnen. Da dies Phänomen stark zunehme, bietet jugendschutz.net inzwischen Workshops an Schulen zum Thema Rechtsextremismus an, um Schüler und Lehrer aufzuklären.
Jugendliche sind besser als ihr Ruf
Der Präventionstag zeigte auch positive Ergebnisse: In einem Gutachten der Münchener Kriminologin Wiebke Steffen heißt es: „Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Jugendkriminalität zugenommen hätte oder immer schlimmer geworden wäre.“ Weder die polizeiliche Kriminalstatistik noch aktuelle Jugendstudien könnten belegen, dass die heutige Jugend verstärkt zu Gewalt und Kriminalität neige. Das gängige Bild von der stark gestiegenen Kriminalität und Gewalt unter Jugendlichen müsse revidiert werden, forderten zahlreiche Experten am Dienstag in Wiesbaden. Die öffentliche Wahrnehmung, dass jugendliche Täter immer zahlreicher, immer jünger und immer brutaler würden, lasse sich empirisch nicht belegen.
Das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass die in der Kriminalstatistik beobachtete Zunahme von Gewaltdelikten durch das veränderte Anzeigeverhalten der Bevölkerung zustande kommt. Da Gewalt unter Jugendlichen heute kaum noch toleriert werde, wachse auch die Bereitschaft, schon Raufereien auf dem Schulhof als Körperverletzung anzuzeigen.
Sieben bis acht Prozent aller Kinder und Jugendlichen fielen durch ein sozial stark abweichendes Verhalten auf. Der Erlanger Kriminologe Friedrich Lösel rief dazu auf, sich möglichst frühzeitig um Kinder mit problematischem Verhalten zu kümmern. Ändere sich deren Verhalten nicht, verursachten diese Kinder der Gesellschaft etwa zehnfach höhere Kosten als normale Kinder und Jugendliche.
Der Deutsche Präventionstag wurde 1995 als jährlicher Kongress für das Arbeitsfeld der Kriminalprävention ins Leben gerufen. An der Tagung nahmen 3.500 Besucher teil.