In der Onlineausgabe der „Süddeutschen Zeitung“ beschreibt der evangelische Pfarrer Hansjürgen Thomann seine Symptome. Jeden Morgen überfiel ihn „Das Graue“ und „umfasste ihn mit kalter Hand“. „Ich hätte zwar arbeiten können, aber ich wollte nicht. Meine freie Zeit konnte ich nicht mehr sinnvoll verbringen, sondern saß nur wie gelähmt herum.“
„Ich war innerlich leer, fühlte mich nicht mehr in der Lage, den inneren Kontakt zu anderen Menschen herzustellen“, so schildern Menschen den Zustand, den Experten als „Burn-Out“-Syndrom bezeichnen. Dieses Ausbrennen kann sich in depressiven Stimmungen, chronischer Müdigkeit oder dem Gefühl von Einsamkeit äußern. Oft geht die Erschöpfung mit körperlichen Beschwerden einher wie Schlafstörungen, Magen-Darm-Störungen oder anderen Problemen.
„Seit es Handys gibt, hat der Stress für Pfarrer zugenommen“
Der evangelische Krankenhausseelsorger Andreas von Heyl beschäftigt sich seit 2001 mit der zunehmenden Erschöpfung bei Pfarrern. Für seine Studien befragte er rund 300 bayerische Gemeindehirten und fand dabei heraus, dass jeder zweite gefährdet ist, ein Burn-Out-Syndrom zu bekommen. Dies liege nicht nur an der psychischen Belastung des Seelsorge-Berufs, sondern auch an strukturellen Problemen und Personalkürzungen, so von Heyl. Immer weniger Pfarrer müssten immer mehr arbeiten – sowohl in der katholischen wie auch in der evangelischen Kirche. Da werde eine glaubwürdige Arbeit immer schwieriger.
In einem Interview mit dem Deutschlandfunk erklärte der Seelsorger die Faktoren, die zu einer totalen Erschöpfung führen, genauer: „Ein Problem ist, dass man überhaupt keinen Erfolg der Arbeit sieht, dass man ein unendlich vielfältiges Arbeitsfeld hat, in dem man den ganzen Tag in den verschiedensten Rollen tätig sein muss und kaum Resonanz bekommt.“
Häufig arbeiteten Pastoren über 60 Stunden pro Woche. Auch die Anforderung, immer präsent zu sein, keine Privatsphäre zu haben, belaste zusätzlich. Seit es Handys gebe, habe der Stress für die Seelsorger noch weiter zugenommen, so von Heyl.
Das Erzbistum Hamburg und die Nordelbische Landeskirche haben das Problem erkannt und bieten ihren rund 1.680 Pfarrern Hilfe durch einen Supervisor an. Der Volksdorfer Pastor Josef Kirsch bietet Supervision und psychologische Beratung in 14-tägigen Gesprächsrunden an, aber auch Einzel-Supervisionen, in denen konkrete Arbeitssituationen besprochen werden.
Seelsorge für Seelsorger
In Süddeutschland gibt es zwei stationäre Einrichtungen, in denen Hauptamtliche Hilfe finden: Das evangelische Haus „Respiratio“ bei Iphofen und das katholische „Recollectio“-Haus der fränkischen Abtei Münsterschwarzach in der Nähe von Würzburg bieten die Möglichkeit, sich zurückzuziehen, zu entspannen, zu sammeln – mit der Begleitung und Hilfe von Experten.
Damit es gar nicht erst zu einem „Burn-Out“ kommt, bietet die christliche Fachklinik „De`Ignis“ in Egenhausen im Schwarzwald Präventionswochen für Pastoren und hauptamtliche Mitarbeiter an.
Klinikseelsorger Andreas von Heyl will mit seinen Vorträgen Pfarrer für die Gefahren ihres Berufes sensibilisieren. Er ermutigt zu einer „beruflichen Psychohygiene im geistlichen Amt“. Dazu gehört für ihn das Einhalten des wöchentlichen freien Tages und eine tägliche Gebetszeit von mindestens einer halben Stunde. „Schließlich ist die eigene Seele das Handwerkszeug des Pfarrers.“ Die müsse er pflegen, wie der Maurer seine Kelle.