Ellen Nieswiodek
Das Computerspielverhalten von Kindern und Jugendlichen wird immer exzessiver und weist immer häufiger auch Merkmale von Sucht auf. Der Schweizer Psychologe Franz Eidenbenz schätzt, dass etwa 2,3 Prozent der Kinder und Jugendlichen mediensüchtig sind. 3,7 Prozent gelten als potentiell gefährdet. Der durchschnittliche Medienkonsum liegt zwischen 20 und 35 Stunden pro Woche. Peter Grosch kritisierte, dass viele Eltern und Großeltern ihren Kindern und Enkelkindern unkritisch Produkte mit hohem Suchtpotential schenken und die Gefahren, die darin liegen, stark unterschätzen.
„Kein Suchtmittel ist so schnell verfügbar wie das Internet“
Online-Welten wie „World of Warcraft“ oder „Second Life“ seien den wenigsten Erwachsenen ein Begriff. Für Eidenbenz steht fest: „Wir haben noch kein Suchtmittel gehabt, das so schnell und jederzeit verfügbar ist wie das, was mit den neuen Medien ins Haus kommt.“
Eltern, die den Verdacht haben, dass ihre Kinder gefährdet oder sogar schon abhängig sind, sollten Gegenmaßnahmen ergreifen. Eidenbenz schlägt als erste Maßnahme vor, Buch über die Onlinezeit zu führen. Danach sollten mit den Kindern Ziele für die Mediennutzung formuliert und Vereinbarungen getroffen werden. Eltern sollten die Regel einführen, dass der Rechner heruntergefahren wird, wenn das Zeitlimit erreicht ist. Außerdem sollten PC-freie Zeiten eingerichtet werden und Eltern sollten die Kinder zu anderen Freizeitbeschäftigungen motivieren.
Der Schweizer Psychologe hält es für ungeeignet, wenn Eltern „Moralpredigten“ halten oder versuchen, den PC zu sabotieren. „Eltern sollten Interesse zeigen und schauen, was die Kinder so fasziniert“, rät Eidenbenz. Man sollte sich fragen, was die virtuelle Welt bietet und ob Kinder dort nach etwas suchen, das ihnen die Realität nicht bieten kann. Hilfe böten auch die Sucht- und Drogenberatungsstellen.
Erste ambulante Beratungsstelle für Medienabhängigkeit in Schwerin
Die Evangelische Suchtkrankenhilfe betreibt seit November 2006 in Schwerin die Beratungsstelle für exzessiven Mediengebrauch und Medienabhängigkeit. Die Psychologen Annette Teske und Alexander Groppler arbeiten dort mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Beide Psychologen arbeiten zu 50 Prozent in der Beratungsstelle. In der restlichen Arbeitszeit sind sie in der stationären Suchttherapie der Helios-Kliniken beschäftigt. Die Nachfrage in der Beratungsstelle sei überraschend groß.
„Seitdem die ersten Presseberichte erschienen sind, rufen Eltern aus ganz Deutschland bei uns an“, erzählte Alexander Groppler gegenüber dem Christlichen Medienmagazin pro. „Das Echo ist überwältigend.“ Auch Schulen hätten bereits angefragt und starkes Interesse an einer Zusammenarbeit angemeldet. Die Suchtexperten haben bereits erste Projektwochen an Schulen geplant.
In Mecklenburg-Vorpommern gab es bis 2005 die einzige Klinik für medienabhängige Kinder und Jugendliche. Die evangelische Kinder- und Jugendkurklinik Wichernhaus in Boltenhagen musste Ende 2005 geschlossen werden. Nun verlagert sich das Beratungs- und Therapieangebot auf die ambulante Beratungsstelle in Schwerin.
Das Kompetenzzentrum und die Beratungsstelle für exzessive Medienabhängigkeit werden getragen von der Evangelischen Suchtkrankenhilfe Mecklenburg-Vorpommern. Die Arbeit wird ausschließlich finanziert durch Spenden der Evangelischen Kirche Bayern und ist vorerst auf zwei Jahre begrenzt.
Lesen Sie zu dem Thema auch die Artikel „Volkskrankheit Medienabhängigkeit“ und „Hilfe, der Computer beherrscht mein Kind“ aus dem Christlichen Medienmagazin pro Ausgabe 2/2005.
Kontakt:
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