Von Andreas Dippel
Für Dirk Laabs ist die Bedrohung überall. Im bayerischen Ort Pappenheim genauso wie in der US-Stadt Colorado Springs – und mittlerweile auch in Brüssel. Überall ist sie, die Bedrohung, in Gestalt der religiösen Fundamentalisten. „Für die einen zählt nur Mohammed, für die anderen allein Jesus Christus. Ihre Meinung versuchen sie auf der Straße durchzusetzen, Feuer und Steine ersetzen Argumente. Diskussion zwecklos… Eine neue, riesige Herausforderung für westliche Gesellschaften“, so der Filmautor. Er zeigt zu diesen Sätzen Bilder von brennenden Fahnen, die Islamisten in ihrem Hass auf die westliche Welt entzündet haben. Moslems, die vermummt Brandsätze werfen und auf Straßen demonstrieren.
Doch Dirk Laabs geht es in seinem Beitrag bei weitem nicht allein um die Bedrohung radikaler Islamisten, die nicht davor Halt machen, sich selbst in die Luft zu bomben, die demokratische Gesetze durch die Scharia ersetzt sehen wollen und die allen Menschen mit Worten glaubhaft versichern, der Islam sei eine generell friedliche Religion – und hinter vorgehaltener Hand Terroristen loben. Nein, es geht auch um „christliche Fundamentalisten“, die angeblich einen ungeheuren Einfluss auf die Politik ausüben und nach einem „theokratischen Staat“ strebten.
Von Pappenheim…
Doch zunächst beginnt die Dokumentation mit einem Bericht über Zustände im bayerischen Pappenheim. Dort gibt es nicht nur eine evangelische und katholische Kirchengemeinde, sondern auch einen moslemischen Gebetsraum. Wobei das Zusammenleben von Christen und Moslems in Pappenheim nicht frei von Spannungen ist. Der evangelische Dekan Wolfgang Popp berichtet in der Dokumentation, wie Moslems, die im Ort leben, in der Osternacht vor seiner Kirche am Marktplatz laute moslemische Musik spielten, um offensichtlich den Gottesdienst zu stören. Außerdem treffen sich einige Moslems in einem muslimischem Gebetsraum, in dem laut Verfassungsschutz auch Hassprediger zum Heiligen Krieg aufgerufen haben. Die Islamisten wurden aus Deutschland ausgewiesen, die lokale Gemeinde, Vertreter der Kirchengemeinden und Politiker drängten auf ein Gespräch mit den Moslems. „Mir ist bei diesem Gespräch aufgefallen“, erinnert sich der katholische Pfarrer Artur Zuk, „dass der Imam uns zwei Stunden lang vom Koran erzählt hat, wie schön die Religion ist, wie wunderbar es ist, ein Muslim zu sein.“ Der Priester zieht sein Fazit: „Die (Moslems) glauben, halten fest an ihren Traditionen. Wir (Christen) haben unseren Glauben schon so verwässert, dass der Islam für uns ein Vorwurf ist… Wenn die sich verschleiern und ihren Glauben so provokativ bekennen – warum tun wir das nicht mehr?“
Und der evangelische Dekan Popp fügt hinzu: „Wir nehmen etwa im Kindergarten unsere christlichen Grundlagen nicht zurück. Es gab Zeiten, da hieß es: Wir haben so viele türkische Kinder muslimischen Glaubens, dass wir doch gar keine Andachten halten können. Das Gegenteil ist der Fall, wir müssen sie halten. Wir müssen zeigen: Das ist unser Glauben.“ Unterstützung erhält der Dekan vom Pappenheimer Bürgermeister: „Die Glocken bei uns läuten jetzt statt nur 40 Sekunden vier Minuten zum Gebet.“
Auch der Publizist und Buchautor Henryk M. Broder („Hurra, wir kapitulieren!“) nimmt Stellung zum „islamischen Fundamentalismus“, der nicht nur im bayerischen Pappenheim ein Phänomen ist. Der Raum dafür sei erst „durch ein Vakuum auf der anderen Seite“ entstanden, so Broder. „Eine Gesellschaft, die sich ihrer Werte überhaupt nicht bewusst ist, die in der Tat an die Spitze ihrer Werte die Frage stellt: Wo kaufe ich am Wochenende am Günstigsten ein?, ist sehr anfällig für islamischen Fundamentalismus.“ Ein derzeit wohlmöglich zu beobachtendes „christliches Wiederaufwachen“ sei daher nur gut. „Es zeigt, dass diese Gesellschaft wenigsten versucht sich zu besinnen, was ihre eigenen Werte sind“, so Broder.
…über Colorado Springs…
Es sind wichtige Fragen und gute Antworten, die da aufgezeigt werden. Doch die „moslemischen Fundamentalisten“ sind, so der Filmautor, nicht die einzige „riesige Herausforderung für westliche Gesellschaften“. Für ihn stellen sich also die Fragen: „Wie setzt man sich mit Menschen auseinander, die absolut, die zu sehr glauben? Reicht es aus, die eigenen Werte wieder neu zu entdecken?“
Von Pappenheim geht es in die USA, nach Colorado Springs. „Kaum ein Land scheint sich intensiver auf diese christlichen Wurzeln zu besinnen als die USA. 100 Millionen US-Amerikaner behaupten von sich, wiedergeborene Christen zu sein. 10 Prozent davon gelten als Fundamentalisten, die ihr Leben einzig nach der Bibel ausrichten“, heißt es. Das also ist die Bedrohung im Westen, die Leute, die ihr Leben nach der Bibel ausrichten.
Jesus Christus und die Macht der Bibel würden in evangelikalen Gemeinden gelehrt, Christen konzentrierten sich auf die Stärkung von Familien, predigten das Wachstum im Glauben. Der Gottesdienst in einer Gemeinde wird gezeigt, in der der Pastor gerade Verse aus der Bibel auslegt. „Dank des Blutes Jesu am Kreuz werden wir Gnade erfahren“, so Pastor Richard Bannister von der Mountain Springs Church. „Wir wissen, dass Jesus den Tod besiegt hat, am Kreuz hat er alles gewonnen.“
„Die Evangelikalen versuchen seit Jahrzehnten die Politik in den USA zu beeinflussen“, sagt der Bürgerrechtsanwalt Robert Bosten, der als Kenner der „Christlichen Rechten“ vorgestellt wird. „Sie werden niemals zufrieden sein, denn sie wollen dieses Land in einen theokratischen Staat verwandeln. Sie fordern, dass wir wieder eine christliche Demokratie werden.“
…bis nach Brüssel: „Fundamentalisten sind überall“
Von den USA geht es zurück nach Europa, genauer gesagt nach Brüssel. In der europäischen Metropole seien mittlerweile „strenggläubige Katholiken aktiv“, die gar mit amerikanischen Protestanten zusammenarbeiteten. So weit gehe der länderübergreifende Einfluss der „christlichen Fundamentalisten“ schon. „Gemeinsam wollen sie in Europa an Einfluss gewinnen.“ Dabei gehe es den Christen um zwei Themen: den Kampf gegen die Evolutionstheorie und gegen Abtreibung. Die Flure des Europaparlaments seien deren Bühne.
Die sozialdemokratische Abgeordnete Veronique De Keyser meint dazu: „Mir ist aufgefallen, dass seit Monaten in gewissen osteuropäischen Ländern Anti-Evolutionstheorien verbreitet werden, die komplett von der amerikanischen Evolutionslehre beeinflusst sind.“ Außerdem suchten „christliche Fundamentalisten“ mit einer umstrittenen Ausstellung gegen die Abtreibung vorzugehen, in der Slowakei wie in der österreichischen Hauptstadt Wien. „Diese christlichen Fundamentalisten arbeiten an einem gemeinsame Ziel. Allein Gottes Gesetzt soll in allen Bereichen des Lebens gelten. Menschen, die diesem Ziel zuwider handeln, sollen eines Besseren belehrt werden.“
Was die „christlichen Fundamentalisten“ angeht, lässt sich Filmautor Dirk Laabs zu steilen Sätzen hinreißen: „Es reicht Fundamentalisten nicht, unmoralische Bürger mürbe zu machen. Im Idealfall wollen sie selbst die Gesetze bestimmen, auf nationaler und internationaler Ebene… Inzwischen machen sich viele EU-Abgeordnete Sorgen über diese Entwicklung. Ein Sonderkomitee diskutiert, wie die Trennung von Staat und Kirche verteidigt werden kann.“
Streitbar, ohne zu attackieren
Die Bedrohung also soll überall sein – und von allen ausgehen, die Glaubensüberzeugungen vertreten, Moslems und Christen gleichermaßen. Statt sich ausschließlich mit „religiösen Fundamentalisten“ zu befassen, hätte Dirk Laabs gut daran getan, einen genaueren Blick auf die fundamentalen Unterschiede zwischen Moslems und Christen zu werfen. Islamisten ist oft jedes Mittel zur Ausbreitung ihrer Überzeugungen recht, Christen aber verbrennen weder Fahnen, ermorden keine Andersgläubigen, unterdrücken keine Nicht-Christen und rufen auch nicht zum „Gottesstaat“ auf. Sie wollen ihren Glauben bezeugen – nur ganz anders, als es die anderen „Fundamentalisten“ tun. Wenn nötig streitbar, aber immer ohne zu attackieren.
Weitere Informationen zum Thementag über „religiösen Fundamentalismus“ finden Sie hier: Link