So könnte es gewesen sein. Genau so. In einem einfachen Dorf in Judäa zur Zeit der römischen Besatzung versuchen die Menschen, trotz viel zu hoher Steuern und brutaler Behandlung durch die Soldaten ein glückliches Leben zu führen. Sie bebauen Felder, mahlen Korn, pressen Oliven und stellen Käse her. Mitten in dieser Dorfgemeinschaft leben Maria, ein normales Mädchen, und Josef, ein fleißiger Mann, der ein Auge auf Maria geworfen hat. Ihre Geschichte ist die Geschichte des Films. Die etwa 16-jährige Maria hat nicht viel mit den bekannten Marienstatuen gemein, und doch wirkt sie auf natürliche Weise gottesfürchtig, geduldig und, ja, auch fehlerlos.
Von Anfang an fasziniert die sehr glaubwürdige Szenerie, das historisch sorgsam mit Details versehene Setting des Films „Es begab sich aber zu der Zeit…“. Dass mehrere Experten für die Zeit um das Jahr 0 den Filmemachern beratend zur Seite standen, sieht man von der ersten bis zur letzten Minute. Selbst wer die Umsetzung dieser bekannten Geschichte ansonsten verfehlt oder kitschig finden sollte, das Design fesselt wohl jeden, und die Kostümbildner verdienen die Bestnote. Gut möglich, dass Regisseurin Catherine Hardwicke hier selbst Hand angelegt hat, war sie doch Produktionsdesignerin beim Film, bevor sie Regie führte.
Historische Genauigkeit
Wie steht es um die historisch getreue Umsetzung im Films? Zumindest erscheinen die Lebensumstände im damaligen Judäa, etwa die Aktivitäten um den Jerusalemer Tempel, sehr authentisch. Genau so könnte es gewesen sein: Das Treiben der Händler, die Opfer-Zeremonien der Hohepriester oder das Beladen des Opfer-Stiers mit den Sünden des Volkes dürften jeden Theologen interessieren – und zufrieden stellen. Auch der Tempel selbst ist, wenn auch wahrscheinlich im Computer generiert, ziemlich getreu nach den bekannten Vorlagen dargestellt.
Ins Grübeln gerät der Israel-Kundige nur dann, als sich Maria und Josef auf ihrer Reise von Nazareth nach Bethlehem an einem See, der mehr einem Meer ähnelt, niederlassen. In „Es begab sich aber zu der Zeit…“ jedenfalls machen sie an einem riesigem Gewässer Rast und kaufen Fisch. Zudem darf man nicht alles, was mit den astronomischen Untersuchungen der drei Weisen oder mit dem „Stern von Bethlehem“ zu tun hat, naturwissenschaftlich zu ernst nehmen. Die Instrumente, mit denen die „Weisen aus dem Morgenland“ hantieren, oder ihr Labor mit einer Art astronomischem Bildschirm auf dem Boden, sind wohl ein Produkt der Phantasie der Filmemacher. Der helle Stern schließlich, nach dem sie suchen, besteht aus zwei dicht beieinander stehenden Planeten und einem Stern, er erleuchtet aber die Nacht wie mehrere Flutlichter.
Spannend, obwohl jeder die Geschichte kennt
„Ich habe die Geschichte so oft gelesen, wie kann das so spannend sein?“, sagt Catherine Hardwicke, als sie das Drehbuch von Mike Rich das erste Mal las. Und verblüfft stellt der Zuschauer fest, dass ihn der Film wie jeder andere spannende Spielfilm fesselt, obwohl er die Geschichte ja bereits kennt. Hier wurde kein goldumrandetes Gemälde einer katholischen Basilika auf die Leinwand verfrachtet. Es wird die Geschichte von zwei Menschen erzählt, die erst noch zueinander finden müssen, sowie die Geschichte vom Menschensohn, der in die Welt gekommen ist, um sie von aller Schuld zu befreien, und vom machthungrigen Herodes, der Angst um seine Position hat.
Anders als in vielen anderen religiösen Filmen wird etwa das Eingreifen Gottes angenehm unprätentiös dargestellt. Ein leiser Wind kündigt den Engel (Alexander Siddig) an, der Maria verkündigt, dass sie den Retter ihres Volkes gebären wird. Siddig erstrahlt dabei als Engel, doch ganz ohne barocken Kitsch mit Flügeln und Harfe, sondern als freundlicher Mann, der Stärke und Sicherheit ausstrahlt. Was Gott selbst angeht, so wird mehrmals im Film, oft am Rande, an die Geschichte Elias erinnert, in der Gott dem Propheten erscheint: Gott war nicht im Sturm, nicht im Erdbeben und nicht im Feuer, sondern im „sanften Säuseln“. Dies ist die Art, wie Gott in diesem Film spricht, und wie er in der Weihnachtsgeschichte zu den Menschen spricht: Eine junge, sanftmütige, tapfere Frau gebärt ein verletzliches Baby, das unterwegs auf einer Reise geboren wird und nicht einmal ein richtiges Bett hat.
So manche Szenen prägen sich ein
Josefs innerer Konflikt, den er zunächst erleidet, als er Maria zum ersten Mal schwanger sieht, wird gut herausgehoben: Ein Kampf tobt in ihm, da die Frau, die ihm anvertraut ist, in die er sich verliebt hat und auf die er enthaltsam wartet, schwanger ist – nur nicht von ihm. Ein Frevel, den das ganze Dorf dazu veranlasst, die beiden mit Verachtung zu strafen. Maria könnte nach geltendem Recht gesteinigt werden. Die Erlösung für Josef kommt im Traum: derselbe Engel, der Maria besuchte, macht Josef klar, dass alles Gottes Willen folgt und Maria den Erlöser gebären wird.
Manche Szenen prägen sich in den Köpfen der Zuschauer ein. Wie etwa eine rührende Szene, in der ein alter Hirte die beiden erschöpften Reisenden Maria und Josef zu sich ans Feuer einlädt, trotz seiner eigenen schlechten Lage. „Jeder erhält in seinem Leben ein Geschenk“, sagt er den beiden mit warmem, traurigem Blick. „Dein Geschenk ist dein Kind.“ Auf die Frage, was sein Geschenk sei, antwortet er: „Ich habe keines. Außer die Hoffnung darauf, irgendwann eines zu erhalten.“ Jener Hirte ist es, dem der Engel in der Nacht der Geburt Jesu als erstes begegnet und die frohe Nachricht verkündet. Und seine Trauer löst sich auf angesichts des neugeborenen Christus.
Der Film ist wenig brutal und daher für heutige Verhältnisse durchaus familientauglich. Allenfalls Personen, die am Kreuz oder am Baum aufgehängt wurden, sind kurz zu sehen. Der brutale Kindermord des Herodes wird abgeschwächt gezeigt, es fließt kein Blut.
Kein „lauter Knaller“
Die neue Verfilmung der Weihnachtsgeschichte ist kein „lauter Knaller“, der sich à la „Passion Christi“ an blutrünstigen Römern weidet oder ein Gruselkabinett an beängstigenden Gestalten auffährt. Vielmehr ist „Es begab sich aber zu der Zeit…“ ein sanfter Film, der vom Glauben handelt, und vom Erlöser, der auf dem Feld geboren wurde, der zu aller erst zu den armen Hirten kam. Keine dröhnenden Pauken oder wummernden „special effects“ lassen den Kinosaal beben. Eher ruhige, einfühlsame Musik begleitet den Zuschauer, meist sind es Choräle. Zum Schluss entlässt der Film den Besucher mit ruhigen Versionen bekannter Weihnachtslieder wie „Stille Nacht“ und „Es ist ein Ros‘ entsprungen“ in die Weihnachtszeit. Dabei fährt die Kamera in das grelle Licht am nächtlichen Himmel über Bethlehem – und lässt so manchen Zuschauer an den Vers „Ich bin das Licht der Welt“ denken, mit dem Jesus seine eigene Person beschreibt.
Kontrastprogramm im Kino
„Es begab sich aber zu der Zeit…“ ist ein Film, der im Gedächtnis bleibt. Und das ist wohl das Wichtigste, was ein Film erreichen kann. Es ist die Geschichte, die von der festen Zuversicht auf die nahende Rettung durch den „Fleisch gewordenen Gott“ – so sagen es die Weisen an der Krippe stehend – erzählt. Und es sind die herausragenden beiden Hauptdarsteller, die gesamte Stimmung der Erzählung, die den Zuschauer bewegen. Regisseurin Hardwicke sagte über ihren Film: „Er ist ein ziemlicher Kontrast zur üblichen leichten Kost und zu den etwas brutaleren Filmen, die normalerweise während der Feiertage laufen. Vielleicht ist er ein Gegenmittel. Er kann dich an einen geistlichen, heiligen Ort führen, besonders am Ende des Films.“ Oder, wie der christliche US-Film-Experte Ted Baehr es ausdrückt: „Dieser Film ist eine göttliche Offenbarung im besten Sinne des Wortes. Eine menschliche Geschichte mit Tiefe, Breite und Höhe und allen Elementen, die Zuschauer fesseln kann. Ein heiliger Film.“