„Pray-TV“ statt „Pay-TV“: Christliche Sender kommen

D ü s s e l d o r f (PRO) - Religiöse Fernsehsender werden in Deutschland zunehmen. Dies sagten Experten auf der Tagung der Landesmedienanstalten am Dienstag in Düsseldorf zum Thema "Zuverlässigkeit religiöser Fernsehprogramme". Manch einer "fürchtet" sogar amerikanische Verhältnisse.
Von PRO

„Message im Medium – Zur Zulässigkeit religiöser Fernsehprogramme“ lautete der Titel der Fachtagung, zu der die „Gemeinsame Stelle Programm, Werbung und Medienkompetenz“ (GSPWM) eingeladen hatte. Die Experten rechnen demnach mit einer wachsenden Zahl an religiösen Spartenprogrammen im Fernsehen. Entsprechende Anträge für Rundfunklizenzen würden in nächster Zeit zunehmen, prognostizierte der GSPWM-Vorsitzende Norbert Schneider. Dieser Trend folge der Rückkehr der Religionen ins öffentliche Bewusstsein.

Als Beispiel nannte Schneider den neuen christlichen Fernsehsender „Trinita TV“, der vor drei Wochen von der bayerischen Landesmedienanstalt seine Lizenz erhielt.

Bald Hunderte christliche Sender in Deutschland?

Auf keinen Fall dürfe Deutschland auf diesem Gebiet der Entwicklung der Vereinigten Staaten folgen, warnte der ehemalige amerikanische Theologe und Medienexperte William Fore. Er sieht ein Problem im politischen Einfluss religiöser Spartenprogramme in den USA. Fore war 25 Jahre lang im „National Council of Churches“ in the USA für Medien zuständig.

In Amerika gibt es 1.600 religiöse Radiostationen und 240 religiöse Fernsehsender. „Diese Stationen beschäftigen sich 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche mit nichts anderem als mit Religion“, so Fore. Christliche Programme wie die des „Christian Broadcasting Network“ (CBN) würden „Evangelikale, christliche Fundamentalisten“ dazu nutzen, ihre Botschaft zu verbreiten, sagte Fore, und die laute: „Nur wer zu uns gehört, der wird die Schlacht zwischen Gut und Böse überleben.“ Außerdem nähmen sie die Bibel wörtlich. „Das beinhaltet die Ansicht, dass Gott das Heilige Land den Juden versprochen hat. Wenn die Juden irgendwann das gesamte Heilige Land für sich vereinnahmt haben, dann folgt der Kampf zwischen Gut und Böse, die so genannte Schlacht von Armageddon.“

Eine der größten christlichen Senderketten in den USA ist das „Trinity Broadcasting Network“ (TBN). Es decke etwa 95 Prozent der Zuschauer ab, so Fore. Die Sendung „700 Club“ des Fernsehpredigers Pat Robertson etwa sei sehr bekannt. Eine andere beliebte Predigersendung sei die „Hour of Power“ von Robert Schuller. Eine Gefahr sieht Fore, wenn „Fernsehen über die Übertragung von Gottesdiensten hinausgeht und eine religiös-politische Arena betritt“. Die amerikanische Regulierungsbehörde „Federal Communication Commission“ (FCC) versage hier. Denn: „Für jeden Politiker oder Regulierer in den USA wäre es politischer Selbstmord, die Tele-Evangelisten in ihre Schranken zu weisen.“

Christlicher Sender ab 24. Dezember per Satellit

Der christliche Sender „Trinita TV“ wird am 24. Dezember mit einem religiös geprägten TV-Programm in Deutschland per Satellit auf Sendung gehen. Der „christliche Familiensender“, wie „Trinita TV“ sich selbst nennt, kann demnächst über den Satelliten Astra empfangen werden.

Der Verfassungsrechtler Prof. Christoph Grabenwarter aus Wien sagte: „Grundsätzlich spricht nichts dagegen, einen religiösen Sender nach US-Vorbild in Deutschland zuzulassen.“ Seiner Meinung nach gelte der Schutz der Bekenntnisfreiheit auch für die Glaubenswerbung im Fernsehen, solange sie bestimmte Grenzen nicht überschreite. Welche dies seien, so Grabenwarter, müsse man von Fall zu Fall entscheiden. Der Verfassungsrichter schlug eine Aufsicht für religiöse Kanäle bei den Landesmedienanstalten vor. Denn es bestehe die Gefahr, dass bei den christlichen Sendern „religiöse Information zu religiöser Werbung mutiert“. Eine Aufsicht müsse prüfen, ob ein Sender aggressiv missioniere oder sich intolerant gegenüber Andersgläubigen verhalte.

Der Vorsitzende der GSPWM, Schneider, hatte bereits in der Ankündigung zur Tagung auf das Grundgesetz der Bundesrepublik verwiesen. Dort stünde zum einen in Artikel 4: „Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.“ Und Artikel 5 besagt: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern.“ Religionsfreiheit und Meinungsfreiheit könnten allerdings in Kollision geraten, wenn Religionen in aller Freiheit und in aller Regel das Prinzip der Ausschließlichkeit praktizieren, während Meinungsfreiheit ein „Jedermannsrecht“ sei, so Schneider.

„Werben für den Glauben, nicht für Religionsgemeinschaften“

In seinen Fernsehgottesdiensten werbe er nicht für eine bestimmte „Religionsgemeinschaft“, sondern für den Glauben, erklärte der deutsche Fernsehpfarrer Wolfgang Wegert. „Denn Glaube wirbt immer, auch ohne zu werben.“ Sein Gottesdienst in der evangelikalen „Gemeinde und Missionswerk Arche“ in Hamburg, das der deutschen evangelischen Allianz angehört, wird sonntäglich auch ins TV-Kabelnetz eingespeist. Wegert berichtete auf der Tagung von seinen Erlebnissen als Fernsehpfarrer in Deutschland.

Er spüre: „Je größer die gesellschaftlichen Verwerfungen werden und die ethische Haltlosigkeit ansteigt, desto mehr bricht in den Menschen die Sinnsuche auf… Diese zunehmende Glaubensnachfrage kommt aus der breiten Einwohnerschaft von zweiundachtzig Millionen Menschen.“ An einem einzigen Sonntag reagierten bis zu vierhundert Menschen auf seinen TV-Gottesdienst. Den Zuschauern stünden jedes Mal rund zehn Telefonseelsorger zur Verfügung. „Aufgrund unserer freiheitlichen, demokratischen Grundordnung genießen auch freikirchliche Christen in Deutschland eine wohltuende Glaubensfreiheit, für die wir zutiefst dankbar sind“, so Wegert.

Wegert: Über’s Fernsehen andere christliche Strömungen kennen lernen

Pastor Wegert betonte auch die Möglichkeit, durch die Fernsehpredigten über den eigenen Tellerrand hinaus sehen zu können. „Meines Erachtens gebietet es schon das Recht auf freie Information, dass unsere Landsleute die Chance haben, sich über die Relevanz auch anderer christlicher Frömmigkeitsstile zu informieren und an ihnen teilhaben zu können. Viele Zuschauer sind erstaunt, wenn sie zufällig die ‚Fernsehkanzel‘ gesehen haben. Ihr Fazit ist oft: ‚Wir haben ja gar nicht gewusst, dass man Gottesdienst und Predigt auch ganz anders halten kann, als traditionell bekannt.'“

Auch der Chefredakteur des Kölner Domradios, Ingo Brüggenjürgen, sieht in religiösen Spartenprogrammen „eine große Chance“, berichtet die „Netzeitung“. Hier könnten die Kirchen „Flagge zeigen“ und Menschen ansprechen, die nicht mehr in die Kirchen kämen. „Die Nachfrage danach ist groß. Die Leute haben bei religiösen Themen eine große Sehnsucht und viele Wissensfragen“, sagte Brüggenjürgen.

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