„Glaubenskrieg“ bei ARTE: „Christliche Fundamentalisten in Europa“

Der europäische Kulturkanal ARTE widmet sich am 19. September in einem Themenabend dem "Christlichen Fundamentalismus". In drei Reportagen geht es um den "Glaubenskrieg" um die Evolution, Teufelsaustreibungen an kleinen Kindern und drei Jugendliche, die sich der "Jesus Revolution Army" angeschlossen haben. Es werde ein Themenabend "mit christlichem Sprengstoff", heißt es in der Presseankündigung von ARTE. Die Moderation übernimmt der ZDF-"heute"-Moderator Steffen Seibert.
Von PRO

In der Ankündigung von ARTE heißt es weiter, Europa werde von christlichen Fundamentalisten erfasst, explizit von evangelikalen Gemeinden. „Fast täglich berichten die Medien über religiös motivierten Fanatismus, der zum Zeichen radikaler Bewegungen geworden ist. Viele fühlen sich in Europa noch relativ sicher und glauben, fest auf dem Boden von Aufklärung und Demokratie zu stehen.“

„Mit der Bibel zum konservativen Siegeszug“

Doch das Fundament sei brüchig, „der ‚alte‘ Kontinent wird langsam vom christlichen Fundamentalismus erfasst. Fast unbemerkt setzen freie evangelikale Kirchen und Bewegungen zum konservativen Siegesszug an. Mit der Bibel in der Hand, mit militärischer Disziplin und dem Horrorszenario der Hölle bekämpfen sie das Böse. Damit erobern sie nicht nur die Schulen und die Jugend in Deutschland, England, Frankreich oder Holland, auch in den Migrantenmilieus sind sie zu Hause. Ein Themenabend mit christlichem Sprengstoff!“

Glaubenskrieg: Evolution oder Schöpfung?

Den Auftakt des Themenabends macht um 20:40 Uhr ein Beitrag über „Intelligent Design“ und Evolution: „Von Göttern und Designern – Ein Glaubenskrieg erreicht Europa“. Darin berichten die Autoren über die Debatte um die Evolutionstheorie. „In den modernen Wissenschaften ist Charles Darwin unumstritten, der Gründer der Evolutionstheorie, der sagt, dass sich alles Leben aus dem gleichen Ursprung entwickelt hat“, so der Sender. „Dagegen kämpfen in den USA und in Europa bibeltreue, evangelikale Christen. In der Politik und in den Schulen sind sie erfolgreich, vor allem im Biologieunterricht, wo die biblischen Ideen von der Entstehung der Erde, der Kreationismus und das Intelligent Design nichts zu suchen haben. Die Dokumentation zeigt unter anderem, wie der Glaubenskrieg in einzelne deutsche Schulen Eingang gefunden hat.“

Schöpfungslehre in der Schule?

Zum Inhalt des Beitrages schreibt ARTE weiter: „Als im Dezember 2005 Richter Jones vom Bezirksgericht Pennsylvania in Harrisburg, USA, das Urteil im Prozess ‚Kitzmiller vs. Dover School District‘ verliest, ist der Zuschauerraum des Gerichts voll besetzt. Und vor dem Gebäude warteten Dutzende nationale und internationale Medienvertreter auf den Richterspruch. Was genau erzeugt die große Aufmerksamkeit?

Ein Glaubenskrieg: Der Schulausschuss der High School in der kleinen Gemeinde Dover hatte in den Lehrplan des Biologieunterrichts einen Passus aufgenommen, der besagte, dass den Schülern neben der darwinschen Evolutionstheorie auch ein christliches Schöpfermodell, die so genannte Intelligent-Design-Lehre, vorgestellt werden sollte. Empörte Eltern wehrten sich, und so kam es zum Prozess.

Das Urteil lautete: Intelligent Design sei Religion und habe im Biologieunterricht nichts zu suchen. So wurden die christlichen Fundamentalisten rechtzeitig gestoppt. ‚Amerika ist weit weg‘, sagten sich damals die meisten Europäer. Doch die Dokumentation zeigt, dass Intelligent Design und Kreationismus – das ist die bibelgetreue Auslegung der Schöpfungsgeschichte – längst in Europa angekommen sind.

Im Biologieunterricht mindestens einer Privatschule und einer öffentlichen Schule in Deutschland wird die Schöpfungslehre als Alternative zur Evolution unterrichtet. Dies steht im absoluten Widerspruch zu den Lehrplänen. Das im Unterricht verwendete Lehrbuch ist nicht als offizielles Schulbuch zugelassen. Die unterrichtenden Biologielehrer ziehen der Evolutionstheorie Darwins die Interpretation der Bibel vor. Selbst die ‚Wahrscheinlichkeit einer Sintflut‘ und die Entstehung des Grand Canyons binnen weniger Tage als Folge der Flut avanciert an einer der beiden Schulen zum Thema des Biologie- statt des Religionsunterrichts. Die Annahme, Kreationismus sei ein rein amerikanisches Phänomen, trifft nicht länger zu. In England glauben nur noch 48 Prozent der Bevölkerung an die Evolution, in Deutschland noch 61 Prozent.“

Die Autoren der Dokumentation besuchen in England den größten europäischen Kreationistenkongress aller Zeiten, nehmen in Salzburg an einem Expertenstreit zwischen Wissenschaftlern zur Evolution teil, sprechen mit dem Wiener Kardinal Schönborn zur Position der Katholischen Kirche und treffen die entscheidenden Vertreter von Kreationismus, Intelligent Design und klassischer Evolutionsbiologie in den USA, England, Holland, Österreich und Deutschland. Unter anderem wird auch über die Studiengemeinschaft „Wort und Wissen“ berichtet.

„Evangelikale begehen Verbrechen an Kindern“

Der zweite Beitrag hat den Titel „Hexenkind – Folter im Namen Gottes“. In der Dokumentation geht es um „Teufelsaustreibung an kleinen Kindern“. Dies sei, so ARTE, ein „Phänomen, das in jüngster Zeit auch Europa erreicht. Die Opfer sind oft Kinder von Mitgliedern freier evangelikaler Kirchen, die aus armen afrikanischen Ländern stammen. Die Dokumentation begleitet den Religionssoziologen und Afrika-Experten Richard Hoskins in den Kongo. Dort sucht er nach aus England verschwundenen Kindern, die mit dem Segen der Kirche auf grausame Weise von einer angeblichen Besessenheit erlöst werden sollen.“

Es sei eine „neue Art von Verbrechen an Kindern“, die Europa erreicht habe. „Teufelsaustreibung im Namen Jesu Christi.“ In England seien mehrere Fälle schwerer Misshandlung bekannt geworden, zuletzt sei ein Kind nach einer wochenlangen Tortur gestorben. „Die Opfer gehören zur afrikanischen Gemeinde in England, die Täter sind Verwandte, oft die eigenen Eltern, begleitet vom allerhöchsten Segen evangelikaler freier Kirchen. Die britische Polizei hegt den Verdacht, dass die Kinder in den Kongo verschleppt werden, um dort exorziert zu werden.“

„Mit christlich-fundamentalistischem Weltbild missionieren“

Der dritte Beitrag widmet sich drei Jugendlichen, die sich der Organisation „Jesus Revolution Army“ angeschlossen haben und ein „strengstes Bibelverständnis“ verträten. Der Titel der Reportage lautet „Missionare im Gleichschritt: Die ‚Jesus-Revolution-Army'“. Die Organisation bediene sich „hipper Musik und modernster Missionstechniken und vertritt gleichzeitig mit der Bibel in der Hand ein extrem konservatives Weltbild“, heißt es in der Ankündigung der Sendung.

Und weiter: „Sie sehen gut aus, sind gut gelaunt und präsentieren ihre christliche Botschaft in hippen Events. Bunte Flugblätter, die vom Leben Jesu erzählen, spannende Websites, Konzertourneen, Tanz und Gesang dienen als Werkzeuge einer Jugendkultur, die strengstes Bibelverständnis propagiert. Hinter der lockeren Fassade herrscht militärische Disziplin. Die Ausbildung zum Missionar der ‚Jesus Revolution Army‘ dauert vier Monate. Täglicher Morgenappell, das Tragen von Uniform, Bibeltraining und Flirtverbot gehören zum Regelwerk.“ Ein weiterer Grundsatz der Organisation sei zudem „die buchstabengetreue Auslegung der Bibel“. Die Reportage zeige ein bislang „unbekanntes, christlich-fundamentalistisches Weltbild“ der drei Jugendlichen.

Der ARTE-Themenabend „Christlicher Fundamentalismus“ läuft am 19. September ab 20:40 Uhr. Moderiert wird der Abend von Steffen Seibert.

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