Thiedeke und seine Kollegen hatten 10.000 Menschen zu ihrem Spielverhalten befragt. Der Großteil der Spieler scheint demnach das Spiel in der virtuellen Welt in seinen Tagesablauf einzugliedern als weiteren Bestandteil der Freizeitbeschäftigung. Viele Nutzer integrieren Kontakte, die sie durch das Online-Rollenspiel mit anderen haben, in das echte Leben, beispielsweise treffen sie sich auf Lanpartys.
Süchtig nach dem virtuellen Leben werden „Menschen, die auch im realen Leben Probleme haben, Kontakt aufzubauen. Sie betrachten die Onlinewelt als Ventil – auch um Herrschaft auszuüben“, erklärte Thiedeke. Leute, die auch sonst keine Schwierigkeiten haben, Kontakte zu knüpfen, seien eher nicht gefährdet, abhängig von der virtuellen Welt zu werden.
Online-Spiele böten einen nicht zu unterschätzenden Vorteil für Leute mit physischen oder psychischen Beeinträchtigungen, denen der erste Kontakt schwer falle. „Im realen Leben zählt der erste Eindruck, online gibt es die Möglichkeit nachzujustieren“, erläuterte Thiedeke die Unterschiedlichkeit der Beziehungen in der virtuellen Welt.
Die Onlinewelt dürfe nicht generell verteufelt werden. Es sei wie nach der Einführung des Buchdrucks: eine neue Realität sei zum Alltag dazu gekommen, so Thiedeke weiter.
Der Psychologe Ibrahim Mazari sieht Online-Computerspiele als einen Bestandteil der Jugendkultur. Er sprach sich gegen weitere Regulierungen aus und forderte stattdessen, die Medienkompetenz des Nachwuchses zu stärken.
Defizite bei Erziehung zu Medienkompetenz
Viele Eltern sind mit der Vermittlung von Medienkompetenz aber überfordert. Während die Jüngeren über große Fähigkeiten beim Surfen, Chatten und Googeln verfügen, hinken Ältere oft hinterher – mit weitreichenden Folgen für beide Seiten. „Die elektronischen Medien haben zu einer Kluft zwischen den Generationen geführt“, das betonte ein Expertenforum in einer weiteren Diskussionsrunde.
Jobst Büscher, Gründer der Initiative „SCHAU HIN!“, beurteilt diese digitale Kluft als „gefährlich, weil Eltern nicht die Kontrolle über die Mediennutzung ihrer Kinder verlieren dürften“. Ein gemeinsames Regelwerk zur Internetnutzung sei eine Verantwortung, die beide Generationen gemeinsam trügen, deshalb müssten Ältere und Jüngere die neuen Medien gleichermaßen nutzen.
Insgesamt sehen die Experten erhebliche Defizite in der Erziehung zur Medienkompetenz bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Es gebe zwar genügend gute Medieninitiativen, Kinder aus Problemfamilien würden aber damit nicht erreicht. Um diese Gruppe zu erreichen, sei es wichtig Alternativen in der Jugendarbeit und in Ganztagsschulen zu schaffen, sagte Walter Demski. „Das erfordert deutlich mehr Geld, als derzeit im Jugendbereich ausgegeben wird“, so Demski.
Auf dem Medientreffpunkt Mitteldeutschland vom 8. bis 10. Mai trafen sich 1300 Wissenschaftler, Journalisten und Politiker, um über neue Trends der Medienbranche zu diskutieren.