Grundschüler der vierten Klasse mit einem eigenen Fernseher etwa haben in Fächern wie Deutsch, Mathematik und Sachkunde wesentlich schlechtere Noten. Zu diesem Ergebnis gelangten Wissenschaftler des Kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen in einer neuen Studie, wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) berichtete.
„Damit sind die Schulleistungen stärker vom Fernsehkonsum abhängig als vom sozialen Hintergrund“, sagte der Leiter des Forschungsinstitutes, Christian Pfeiffer. Je eher bei Kindern und Jugendlichen der Fernsehkonsum beginne, desto schlechter seien der spätere Lernerfolg und der Schulabschluss. Davon ausgenommen seien lediglich die Hochbegabten. Auch seien Kinder, die keine brutalen Videospiele nutzten, schon als Zehnjährige eine Note besser als diejenigen, die sie regelmäßig spielten.
Die Untersuchung sei zudem aufschlussreich im Hinblick auf die Ergebnisse der Pisa-Studie. Die Analyse zeige weitere Gründe für das schlechte Abschneiden des Nordens, der Migranten sowie der männlichen Jugendlichen in Deutschland. Denn überall dort ständen mehr Playstations und Fernseher in den Kinderzimmern, erklärte Pfeiffer.
Mediennutzung beginnt zu früh
Als Grund für die exzessive Fernsehnutzung sehen die Forscher die „viel zu frühe“ Heranführung an die modernen Medien. Sorge bereite ihnen zudem, „dass Erzieherinnen in Kindergärten heute zwar mit dem Computer, dafür aber nicht mehr mit der Gitarre umgehen können“. Das führe zu einer unzureichenden Persönlichkeitsförderung der Kinder.
Kinder benötigen Unterstützung
Fast jeder vierte Schulanfänger sowie 30 Prozent der 15-Jährigen besitzen einen eigenen Fernseher. Laut der Studie ist die Zahl in den neuen Bundesländern noch höher. Fast jedes zweite Kind sagte, es könne so lange es will und ungefragt fernsehen oder Videospiele spielen. Die Unterstützung von Erwachsenen bei der Auswahl von Fernsehsendungen und Computerspielen kommt laut der Untersuchung zu kurz.
„Mensch-Zeichen-Test“ offenbart Defizite
Die Tageszeitung „Die Welt“ berichtet über eine Studie, bei der 1.900 Kinder aus Baden-Württemberg untersucht wurden. Demnach testet der Kinderarzt Peter Winterstein seit 17 Jahren Erstklässler im Alter von fünf bis sechs Jahren. Er legte seinen Untersuchungen, die er zusammen mit seinem Kollegen Robert J. Jungwirth durchführte, den bekannten „Mann-Zeichen-Test“ zu Grunde, wandelte diesen zu einem „Mensch-Zeichen-Test“ ab und entwickelte ein vereinfachtes Bewertungsschema. Die Kinder mussten demnach einen Mensch zeichnen. Für Merkmale wie Haare, Augen, Nase, Mund, Ohren, Hals, Rumpf, Füße und die richtige Fingeranzahl verteilten die Ärzte einen Punkt. Für die plastische Darstellung von Rumpf und Kopf gab es jeweils einen weiteren Punkt. Der Test soll laut Winterstein vor allem als Test zur Erfassung der bildhaften Wahrnehmung für Vorschulkinder geeignet sein. Dabei komme es nicht auf „Schönheit“ oder „Talent“ an, sondern vielmehr auf Vollständigkeit. Die Ergebnisse des Tests zeigten, dass Kinder mit einem täglichen Fernsehkonsum von weniger als einer Stunde einigermaßen „vollständige“ Menschen zeichneten, während Kinder, die weitaus mehr fernsahen, nur selten eine vollständige Figur zustande brachten. Die Ergebnisse wurden jetzt in dem Fachmagazin „Kinder- und Jugendarzt“ vorgestellt. Wie die Studie zeigte, haben viele Kinder Entwicklungsdefizite. Winterstein führt dies auf den Medienkonsum zurück.
Fernsehen ist „armselig“
Mediziner wie Winterstein oder auch der Neurophysiologe Manfred Spitzer, ärztlicher Direktor der Psychiatrischen Uniklinik in Ulm, warnen seit langem vor den Folgen kindlichen Fernsehkonsums. Denn das Gehirn könne sich nur die Dinge gut einprägen, die über mehrere Sinne aufgenommen würden, so Spitzer. Fernsehen sei jedoch eine „armselige Angelegenheit“.
Prävention statt Therapie
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung empfiehlt für Kinder im Vorschulalter eine tägliche Fernsehzeit von höchstens 30 Minuten. Für Grundschulkinder sei eine Stunde angemessen. Doch die wenigsten Eltern hielten sich an die Empfehlungen. Anstatt auf einen maßvollen Umgang mit modernen Medien zu achten, beklagt Kinderarzt Winterstein in der „Welt“, werde oft hinterher versucht, mit Therapien die Probleme zu lösen. Dies wiederum belaste das Gesundheitssystem. Nicht selten würden auch Lehrer für die schlechten Leistungen ihrer Schüler verantwortlich gemacht.