Presserat: „Presse darf nicht an den Pranger stellen“

B o n n (PRO) - Sinnentstellte Bilderveröffentlichungen, Abbildungen von Privatpersonen, Schleichwerbung und reißerische Überschriften sind immer wieder Anlass für zahlreiche Beschwerden beim Deutschen Presserat. Dieser hat bereits im ersten Quartal des Jahres 2006 zehn Rügen an verschiedene Zeitungen ausgesprochen.
Von PRO

Als Freiwillige Selbstkontrolle der Printmedien setzt sich der Deutsche Presserat vor allem für die Pressefreiheit in Deutschland ein und befasst sich mit den Beschwerden aus der Leserschaft. Diese bewertet er anhand des Pressekodexes. Am Dienstag hatte die zweite Beschwerdekammer nochmals sieben Zeitungen gerügt. Am 1. März hatte die erste Kammer bereits drei Rügen ausgesprochen.

Rüge wegen Bildveröffentlichungen

Gerügt wurde die Hannoveraner Ausgabe der „Bild“ für einen Artikel über die Pisa-Studie, in dem sie ein Bild einer Grundschulklasse veröffentlichte, das ursprünglich zu einem anderen Zweck  aufgenommen wurde. Diese Praxis verstoße gegen den Pressekodex, so die Beschwerdekammer.

Auch die Münchner „Abendzeitung“ wurde wegen einer Bildveröffentlichung ermahnt. Sie hatte in einem Artikel über einen siebenjährigen Jungen, der seinen fünfjährigen Bruder erschossen hatte, die beiden Kinder so abgebildet, dass man diese erkennen konnte. Damit habe die Zeitung die Gefühle der Angehörigen verletzt, so das Gremium. Ebenso wurde die Nürnberger „Abendzeitung“ wegen einer Bildveröffentlichung gerügt. Sie hatte Fotos eines in einem Mordprozess angeklagten Mannes abgedruckt.

Ein weiteres Mal wurde die „Bild“ für eine Veröffentlichung in der Rhein-Neckar-Ausgabe gerügt, in der sie einen Mann fälschlicherweise als „Attentäter“ bezeichnet hatte.

Presseethik

Dagegen wurde die Schlagzeile „Wird sie geköpft?“, wie die „Bild“ am 30. November 2005 über den Fall der entführten Susanne Osthoff titelte, vom Gremium nicht verurteilt. Diese Fragestellung sei presseethisch vertretbar, da Susanne Osthoff zum Zeitpunkt der Veröffentlichung tatsächlich in Lebensgefahr gewesen sei und bereits mehrere Entführte auf diese Art und Weise getötet worden waren.

Ermahnt wurde zudem die Berliner Boulevardzeitung „B.Z.“ für ihre Schlagzeile „Du Drecks-Vater!“ So hatte die Zeitung einen Mann bezeichnet, der seine beiden Söhne verwahrlosen ließ. Nach Meinung der Kammer werde der Vater mit dieser Aussage an den Pranger gestellt. Damit überschreite die Zeitung die Grenze der zulässigen Berichterstattung und trete als Kläger auf.

Außerdem gerügt wurden sowohl die „Ostsee-Zeitung“ als auch die „Schwarzwälder Post“, weil sie beide gegen das Gebot der klaren Trennung von Redaktion und Werbung verstießen. Die Zeitungen hatten laut der Beschwerdekammer in einem Fall einen Artikel mit einer Anzeige unmittelbar verbunden.

Jeder darf sich beschweren

Grundsätzlich hat jeder Bürger und jede Institution die Möglichkeit, sich beim Deutschen Presserat über Veröffentlichungen in der deutschen Presse zu beschweren.

Lesen Sie zu diesem Thema auch den Beitrag „Beschweren – aber richtig!“ in der aktuellen Ausgabe der „pro“ 1/2006. Jetzt kostenlos und unverbindlich bestellen:
 
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