„Wir werden in einem Zustand der Unmündigkeit gehalten“
Trotz des Karikaturenstreites sei das Thema „Mohammed“ für Satiriker nicht tabu. Das dürfe es auch nicht sein. „Alle westlichen Zeitungen hätten (die Karikaturen) zeigen sollen, um ihre Leser zu informieren, worum es in dem Streit eigentlich geht. Jetzt werden wir in einem Zustand der Unmündigkeit gehalten“, so Gernhardt. Somit seien die Bürger hier in der selben Situation wie die Muslime: „Ich sollte mir eine Meinung bilden zu etwas, das ich nicht gesehen hatte. Und die Muslime hatten von vornherein eine Meinung zu etwas, das sie nicht gesehen hatten. Insofern saßen wir im selben Boot.“ Dies widerspreche aber unserer westlichen Kultur, „nur über Dinge zu reden, die wir gesehen und überprüft haben“.
Kein vorauseilender Gehorsam
Das Grundprinzip der Meinungsbildung, „zuerst mal schauen, was da los ist, und dann eine Meinung bilden“, hätten radikale Islamisten durch ihre Einschüchterungsversuche ins Gegenteil verkehrt: „Eine Meinung haben und nicht hinschauen, weil diese Meinung ja gestört werden könnte.“ Man könne deshalb von „vorauseilendem Gehorsam“ sprechen. Diesen Gehorsam leiste man mit dem Argument, dass „Gefühle verletzt“ würden. Aber genau das müsse ein Karikaturist tun, sonst könne er „gleich Heiligenbilder malen“. Gegenüber der „Tagesschau“ sagte er bereits im Februar: „Auf die fanatischen Reaktionen schlecht informierter Menschen Rücksicht zu nehmen hieße, die Aufklärung zurückdrehen zu wollen.“ Außerdem habe auch er „als aufgeklärter, ungläubiger Mensch Gefühle, die von Religionseiferern verletzt werden können“.
Grenzen der Satire
Trotzdem würde er nicht in ein islamisches Land gehen und „Mohammed mit einem Schwein in Verbindung bringen“. Auch die dänischen Karikaturisten hätten nicht den heilsgeschichtlichen Mohammed verunglimpft, sondern den Mohammed der Islamisten. „Gott lässt sich nicht beleidigen. Beleidigen lassen sich nur Menschen, die sich bestimmte Vorstellungen von Gott machen“, entgegnete Gernhardt.
Die einzige Grenze der Satire sei dort, wo man sich nicht auskenne, so der Autor im Gespräch mit der „Tagesschau“. Deshalb habe er nie eine Mohammed-Karikatur gezeichnet, oder Witze über den jüdischen Gott gemacht. Der Satiriker Gernhardt scheute sich jedoch in der Vergangenheit nicht, immer wieder satirische Texte über Gott zu veröffentlichen. Den „Stasi-Gott“, den er als Kind erlebt hatte, habe er immer wieder bearbeitet, so zum Beispiel in seinem Gebet: „Lieber Gott, nimm es hin, / dass ich was Besondres bin. / Und gib ruhig einmal zu, / dass ich klüger bin als du. / Preise künftig meinen Namen, / denn sonst setzt es etwas. Amen.“ Gernhardt ist der Ansicht, solche Texte seien akzeptable Satire.