„Fundamentalismus“ äußere sich in „sehr modernen Formen von Religiosität, wie sie auch im Christentum zu beobachten sind“, so Roy. An zentraler Stelle stehe immer das Phänomen des „born-again“, die Wiedergeburt eines Menschen, der seinen persönlichen Weg zum Glauben gefunden hat. Diese Wiedergeburt finde sowohl bei christlichen, als auch moslemischen Fundamentalisten gleichermaßen statt.
Durch den neuen Glauben sagt sich der Mensch los von Familie und ehemaligem Umfeld und verteidigt seine Überzeugungen. Diese Verteidigung des Glaubens, die bei Islamisten durch Gewalt und Terror geschehe, äußere sich bei fundamentalistischen Christen ähnlich, so Roy. „Wenngleich nicht unbedingt gewalttätig, so sind sie doch zumindest sehr konservativ.“
Gleiche Werte?
In seinem Artikel sieht Roy noch eine weitere Parallele zwischen Fundamentalismus im Islam und dem Christentum: die Werte. Durch eine „Verwestlichung des Islams“ basierten beide Glaubensrichtung auf den selben westlichen Wertvorstellungen, so Roy. „Es überrascht nicht, dass bei den Themen Familie und Sexualität fromme Muslime in Europa und traditionalistische Christen oft die gleiche Position vertreten. Da liegt die Gemeinsamkeit der Fundamentalisten.“
Außerdem kritisiert der „Zeit“-Autor, dass sich Christen weigern, eine Einigung mit den Moslems zu treffen und sich zu verbünden. Diese extrem konservative Denkweise der Christen habe mit zeitgenössischer Religion nichts gemein und stamme aus dem Zeitalter der Kreuzzüge.
„Moslemische Gewalt nicht im Koran“
Weiter schreibt Sozialwissenschaftler Roy, dass die Ursachen der moslemischen Gewalt nicht im Koran liegen. Moslems wollten vielmehr gegen die Ausbeutung durch den „amerikanischen Imperialismus“ protestieren, so der Autor. Der Widerstand der islamischen Fundamentalisten gegen „die etablierte Ordnung“ gleiche dem Widerstand extremer Linker gegen den Konservativismus. Laut Olivier Roy wenden Moslems lediglich Gewalt an, um sich Gehör zu verschaffen.